Ethische Karten (geistige Kulturkreiskarten) und besondere Kulturkarten.
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Darstellungen hervorrufen. Die allgemeine Kulturhöhe eines Volkes spricht sich wohl
am deutlichsten in der Karte der Analphabeten eines Landes aus. So wirkt eine
Karte über die Bildung bez. geistige Höhe der Polen von E. v. Römer 1 geradezu
erschütternd; wir sehen darauf, wie der größte Teil der Polen, 25—75°/ 0 , die meisten
Ruthenen sogar über 75% Analphabeten sind. In den gesamten Kulturländern hat
man Karten über das Prozent Verhältnis der des Lesens und Schreibens kundigen
Bevölkerung herausgegeben. 1 2 Eine der ersten dieser Karten hat Gr. Hasse als
Analphabetenkarte auf Grundlage der Rekrutenprüfungen zu dem Physikal-stati-
stischen Atlas des Deutschen Reichs beigesteuert. 3 Wenn eine sorgfältig bearbeitete,
auf gewissen gleichen Voraussetzungen (statistische Erhebungen) beruhende Karte
der Analphabeten Europas entworfen wurde, wäre klar ersichtlich, wie die
germanischen und verwandten Völker hoch über die Romanen und Slawen
stehen. Ein anderes merkwürdiges Bild Europas würden wir erhalten, wenn
die Gebiete einzelner Länder genauer durch kartographisches Detail präzisiert
würden, wo sich die Bildung der breiten Masse auf einem geregelten Volks
schulunterricht gründet. Deutschland braucht den Vergleich selbst mit Frank
reich und England nicht scheuen, denn auch im Volksschulwesen ist es diesen
Ländern überlegen.
Hat man bis jetzt das Volksschulwesen noch nicht kartographischer Darstellungen
für wert erachtet, ist es schon besser mit den höhern Lehranstalten. Universitäts
städte wurden zunächst im Kartenbilde markiert, bei Visscher geschah es durch einen
Äskulapstab. 4 Bei E. D. Hauber finden wir ausdrücklich vermerkt: ,,Ebenfals
könnte und solte man in einer Karte alle Bergwerke, Bäder- und Sauer-Bronnen,
alle Akademien und Gymnasien, alle Festungen, alle Residenten usw. einzeichnen.“ 5
Derartige Eintragungen gab es bereits, Hauber hat die Karten nur nicht gesehen.
Es sei bloß auf die Karte von Comenius hingewiesen. 6 Im 18. Jahrhundert legte man
allerdings mehr Wert auf die Dinge, die Hauber benennt. Dafür geben Homannsche
Karten viele Beispiele. Sachgemäßer wird aber erst im 19. Jahrhundert verfahren.
So finden wir auf einer Postkarte, die F. M. Streit 1882 veröffentlicht hatte 7 ,
die Universitätsstädte mit großer Sorgfalt wiedergegeben. Nicht allein die Universi
täten, technischen und andern Hochschulen müßte man im Kartenbilde festhalten,
sondern vielmehr versuchen, die Wirkungen zu kartieren, die von ihnen ausgehen,
besonders die Fäden ausspinnen, die mit dem Auslande verknüpfen und die ein
dringlich zeigen würden, wie die deutsche Kultur ein Ferment der Weltkultur ist.
Ob ausländische Hochschulen den Vergleich mit den bedeutendsten Deutschlands
aushalten? — Neben den Universitäten erfreuen sich die höhern Lehranstalten
1 E. v. Römer: Geograph.-Statist. Atlas von Polen. Unter Mitwirkung mehrerer Fachmänner.
Heft 1 u. 2. Warschau u. Krakau 1916.
2 8o in Italien, Frankreich, Österreich-Ungarn. Vgl. üb. letztem Staat die K. von J. Hätsek
i. P. M. 1884, T. 9.
3 R. Andree und O. Peschei: Physik.-statistischer Atlas des Deutschen Reichs. II. Biele
feld u. Leipzig 1878, S. 25a.
4 M. Eckert: Kartenwissenschaft, I, S. 392. — Siehe daselbst auch Anm. 1 wegen des Sonder
kärtchens der deutschen Universitäten u. Hochschulen in Andrees Handatlas.
5 E. D. Hauber: Versuch einer umständlichen Historie der Land-Charten. Ulm 1724, S. 74.
6 Über Comenius usw. vgl. M. Eckert: Kartenwissenschaft, I. S. 392—394.
7 F. M. Streit: Post Charte der österreichisch-teutschen, preußischen und teutschen Bundes
staaten, sowie der Königreiche Holland, Belgien u. der Schweiz. Berlin 1832. [K. Bi. Berlin.]