Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Ethische Karten (geistige Kulturkreiskarten) und besondere Kulturkarten. 
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der Zölle und indirekten Steuern usw. beschäftigen. Meistenteils sind diese Dar 
stellungen rein statistische Gebilde, die kaum den Namen „Karte“ verdienen. 1 Der 
Geograph greift dann und wann gern auf solche Darstellungen zurück und macht sie 
für seine Zwecke schmackhafter, wie es P. Langhans in seinem bekannten viel 
benutzten Staatsbürger-Atlas getan hat. 2 Soll die Karte mehr für das Volk sein, 
tritt das statistische Element von allein in den Hintergrund, wie bei der Karte des 
„Heiratsmarktes im Deutschen Reiche“, wo Gebiete als günstig, indifferent, weniger 
günstig und ungünstig unterschieden werden. 3 Das Verhältnis der Geschlechter ist 
gleichfalls nicht außer acht zu lassen. Der Frauenunterschuß in Indien gab die Vorlage 
zu einer Karte, die wir in G. v. Mayrs statistischen und nationalökonomischen Ab 
handlungen finden. 4 
Ein Kulturstaat muß sich ferner über die Tätigkeit seiner Bürger klar sein. 
Karten von der Aufstellung und Verteilung der einzelnen Berufsgruppen geben darüber 
Rechenschaft; vorzüglich auch Arbeiter- und Ar beit karten, die uns noch in 
hohem Maße ermangeln. Außer von allgemeinem Nutzen werden sie von großer 
Bedeutung für gewisse Regulierungen der Arbeitlosigkeit sein. Die Karte der 
Analphabeten haben wir in einem andern Abschnitt erwähnt (S. 487). Aber auch 
die Verbrecher karten geben den Regierenden zu denken. 
Da ein Staat für den äußern wie innern Schutz seiner Bürger sorgen muß, 
werden Karten notwendig, die die Verteilung der Streitkräfte und des Kriegsmaterials 
im Lande zeigen, also die Standorte des Reichsheeres und der Marine, der Kommandos 
und Inspektionen, des FestungsWesens, ferner die Landwehr-Bezirkseinteilung, die 
Verbreitung der technischen Anstalten von Heer und Marine. Wir nennen sie kurz 
weg Militärkarten. 5 Ferner stellen sich die Militär-Pläne großer Militärorte 
und -gegenden ein, die militärische Dienstgebäude und Kasernen, Exerzierplätze 
und Schießstände zeigen. Unter diesen Karten befinden sich naturgemäß viele 
Geheimkarten. Die Bedeutung mancher politischen Grenze dürften Dilokations- 
karten erst ins richtige Licht setzen. 6 
1 Fundgruben für diese Art kartographisch-statistischer Gebilde sind unter anderm Aug. 
Meitzen: Der Boden u. d. landwirtschaftl. Verhältnisse des Preuß. Staates nach dem Gebietsumfange 
vor 1866. Atlas. 20 Tafeln zu Bd. I —IV. Berlin 1871. Karten in 1: 2850000; — und vor allem 
die Festschrift des Kgl. Preuß. Statist. Bureaus zur Jahrhundertfeier seines Bestehens. Berlin 1905. 
2 Justus Perthes’ Staatsbürger-Atlas. Hg. v. P. Langhans. 4. Aufl. Gotha 1904. 
3 Der Heiratsmarkt im Deutschen Reiche. In d. Monatsschrift „Arena“, III, Heft 1. — 
Günstig sind Sachsen, Bremen, Hamburg, (Berlin),; indifferent: Mecklenburg, Schleswig-Holstein, 
Hannover, Westfalen, Provinz Sachsen, Anhalt, Braunschweig, Rheinland, Hessen, Hessen-Nassau, 
Brandenburg, sächs. Fürstentümer, Pfalz, Baden; weniger günstig: Westpreußen, Pommern, 
Mecklenburg-Strehlitz, Schlesien, Bayern, Württemberg; ungünstig: Elsaß-Lothringen, Hohen- 
zollern, Waldeck, Posen, Ostpreußen. 
4 Der Frauenunterschuß in Indien. Statist, u. nationalökon. Abh., hg. von G. v. Mayr. 
München 1909, Heft 4. Mit 1 K. 
5 Vgl. Garnison-Karte der Deutschen Armee. Leipzig, 1. Aufl. 1880 (?); 23. Aufl. 1905. - 
J. Perthes’ Deutscher Marine-Atlas. Bearbeitet von P. Langhans. 1898. — J. Perthes’ Deutscher 
Armee-Atlas. Bearbeitet von P. Langhans. 1899. — Karte der Standorte des Reichsheeres. Stand 
am 1. Okt. 1905. Auf Veranlassung des Kgl. Preuß. Kriegsministeriums bearbeitet v. d. kartogr. 
Abteilung der Kgl. Landesaufnahme. 1 : 900000. Berlin 1905. — Unter den altern Karten kann 
man Festungspläne hierher zählen, z. B. Places fortes de l’Alsace. 1674—1677. Ms. [Serv. Hydrogr. 
Paris.] 
6 Vgl. z. B. die Dislocations-K. der Indo-britischen Streitkräfte in Ost-Indien u. der Russischen 
Streitkräfte in Asien. Wien 1892.
	        
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