Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Politische, historische und historisch-kartographische Karten. 
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Mit den Karten, die in dem Abschnitt „Staatswesen und Mensch“ erörtert 
wurden, sind wir schon tief in das Gebiet der politischen Karte hineingeschritten, 
vorausgesetzt, daß wir unter „politisch“ alles das verstehen, was mit dem Staats 
wesen etwas zu tun hat. In der Geographie bzw. Kartographie bezeichnen wir als 
politische Karte die, die die Staatenverteilung veranschaulicht. Gewöhnlich ge 
schieht dies durch Flächenkolorit, vielfach auch mit und auf altern und ältesten Karten 
ohne Randkolorit. Gerade die politische „Illuminierung“ der Karte bildete früher, 
als noch mit der Hand koloriert wurde, ein wichtiges Kapitel der Kartenherstellung 
und ein trauriges Kapitel des Kartenplagiates. 1 Inauguriert wurde das politische 
Flächenkolorit durch das Theatrum orbis terrarum von A. Ortelius. 1 2 Er fand würdige 
Nachfolger, namentlich im 18. Jahrhundert in Seutter, Lotter, Homann, Weigel u. a. m. 
Wir sind es gewöhnt, mehr in den Schul- 3 als in den Handatlanten 4 , das politische 
Bild dem physikalischen gegenüberzustellen. Im Grunde genommen ist es ein Nonsens, 
beide Karten zu trennen, denn sie gehören zu- und ineinander wie das Ei zur Schale. 
Wenn trotzdem gerade auf Schulkarten — weniger auf Handatlaskarten — die Trennung 
vorgenommen worden ist, geschah dies teils aus didaktischen Gründen teils in der 
Absicht, das Kartenbild nicht zu überlasten. Das Flächenkolorit ist zweifelsohne 
besser als das Randkolorit imstande, die Lage und Form der betreffenden Länder 
dem Gedächtnis einzuprägen. Wird es über eine physikalische Karte gelegt, leidet 
diese in ihrer Anschauungskraft. Trotzdem tut man gut daran, das Gelände im 
politischen Bilde widerspiegeln zu lassen, wie es auch bei den meisten deutschen 
Karten der Fall ist. Wird auf englischen, amerikanischen und französischen Karten 
mit Flächenkolorit gearbeitet, verschwindet gewöhnlich das Gebirge. Kaleidoskopisch 
ziehen die Departements-, Counties- und Staateneinteilungskarten an unserm Auge 
vorüber. 
Die politische Karte, die wir als die historische Karte der Gegenwart an- 
sehen, soll lediglich wahre Verhältnisse widerspiegeln. Sie kann eine mehr oder minder 
gefährliche Waffe der Agitation werden, wie sie es beispielsweise in den Händen 
der Gegner Deutschlands im Weltkriege geworden war. Mit der politischen (Scliand-) 
1 M. Eckert: Kartenwissenschaft, I, S. 21. 
2 Nicht in den ersten Ausgaben des Theatrum. 1572 finden wir nur vereinzelte Karten politisch 
koloriert, aber in den voluminösem Ausgaben von 1579 an sieht man ein für den ganzen Atlas durch 
geführtes politisches Kolorit. 
3 Zu den altern Kartenwerken dieser Art gehört Johann David Köhlers Historiarum & 
Politices Professoris publici auf der Nürnbergischen Universität Altdorff. Bequemer Schul- und 
Reisen-Atlas Aller Zu Erlernung der Alten, Mittlern und Neuen Geographie dienlichen Universal- 
und Particular-Charten / Welche alle auf eine solche neue und besondere Art illuminirt / daß man 
nicht nur alleine nach denen verschiedentlich aufgetragenen Farben deren Abtheilung und Gräntzen 
also bald genau unterscheiden / Sondern auch noch über dieses dabey gleich bey den ersten Augen 
blick erkennen kan / Wem erstlich jegliches Land in denen Welt-Theilen zugehöre / Und dann auch 
Was solches für einer Religion beygethan / Nebst Einer im Druck beygefügten kurtzen Geographischen 
Anleitung Und Etlichen Heraldischen Charten / welche die Wappen aller Königreiche und Länder / 
davon die Charten in diesen Atlante befindlich / und die sonsten gewöhnlicher massen denenselben 
pflegen zur Zierde beygestochen zu werden / zu bessern Gebrauch besonders / und auf das aller- 
accurateste vorstellen. Alles mit grossen Fleiß und Kosten ausgefertigt von Christoph Weigeln / 
Kunsthändlern in Nürnberg. 1718. [Br. M. London.] 
4 Man könnte hierbei an C. Desjardins Geographisch-historischen Atlas von Europa, Wien 
1836, 1838, denken; er gibt nicht bloß die politischen Verhältnisse Europas recht deutlich, sondern 
auch mancherlei physikalische. 
Eckert, Karten Wissenschaft. II. 
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