Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die organische Welt im Kartenbild. 
muß wie die rein historische. Sie hält sich hauptsächlich an das gegebene Kartenbild. 
Dies ist, wie wir wissen, direkt Forschungsobjekt, das durch Quellenstudien und Ver 
gleiche in seinem Wesen und seiner Bedeutung klar gelegt wird. Jeder bedeutendem 
Karte ist ein Entwicklungsmoment eigen; denn in ihr und durch sie suche ich den 
Fortschritt (oder Rückschritt) in der Erderkenntnis, in der Geländezeichnung, in 
dem Netzentwurf nachzuweisen. In historischer Folge aneinandergereiht, ergeben 
diese kartographischen Querschnitte schließlich einen Längsschnitt, eine Genesis 
der Karte (wenn lediglich die Karte an sich Forschungsobjekt ist). An die Ver 
öffentlichung derartiger genetischer Werke ist man bisher recht schüchtern heran 
getreten. Vielleicht darf man die sechs Planiglobenbilder hierher rechnen, an die 
dir. Sandler die Reformation der Kartographie um 1700 anknüpft. 1 Die genetische 
Reihe der kartographischen Querschnitte, die sich aus Originalkarten der betreffenden 
Zeitperioden zusammensetzt, dient nicht bloß unmittelbar der kartographischen For 
schung sondern auch im weitern Sinne der historischen Forschung. Bis jetzt ist diese 
Methode hauptsächlich an Stadtplänen probiert worden und des weitern an Land- 
schaftsbildern, die auffällige Veränderungen in kürzern Zeitspannen zeigen, wie bei 
Flußmündungs- und Küstenlandschaften. 
187. Historische Grundkarten. Die historischen Grundkarten wollen eine Grund 
lage bilden, worauf nach historischer Methode politische, kulturhistorische und nationale 
Eigenarten der Vergangenheit zusammengetragen werden. Unter gewissen Voraus 
setzungen werden sie auch der Gegenwart dienen. Weil das Verfahren dabei einen 
statistischen Charakter hat, spricht man auch von historisch-statistischen 
Grundkarten. Sie haben sich in Deutschland ein breites Arbeitsfeld gesichert. 
Name und Idee gehen zurück auf Fr. v. Thudichum, der sich auf Grundkarten 
1883 die Ergebnisse rechtsgeschichtlicher Untersuchungen eintrug. 1 2 K. Lamprecht 
setzte sich mit seiner ganzen wissenschaftlichen Persönlichkeit für sie ein. 3 Von 
geographischer Seite war es insbesondere J. Partsch, der ihre Veröffentlichung 
warm empfahl. 4 Nach mancherlei Irrwegen und Stockungen 5 hat die Grundkarte 
eine Zentralstelle im Historisch-Geographischen Institut, dem jetzigen Seminar für 
Sächsische Geschichte an der Universität Leipzig unter der Direktion von R. Kötzschke 
gefunden. 6 
Die Karte des Deutschen Reichs 1 : 100000 oder die 1 cm-Karte ist die Mutter 
der Grundkarte. Die historisch-statistische Grundkarte ist ein Abklatsch von dieser, 
wobei Gebirgszeichnung, die Grenzen für Staaten und Provinzen, alle Verkehrswege 
und die Waldsignatur weggelassen sind. Dagegen verbleiben im Kartenbild Flußnetz 
und die Ortschaften, Schlösser, Ruinen usw., also alles das, was mehr mit der Be- 
1 Chr. Sandler: Die Reformation der Kartographie um 1700. Mit 6 Kartentafeln. München 
und Berlin 1905. 
2 Fr. v. Thudichum: Historische Grundkarten. Tübingen 1892. — H. Ermisch: Er 
läuterungen zur histor.-stat. Grundk. f. Deutschi, in 1 : 100000. Kgr. Sachsen. 1899. — K. Lam 
precht: Zur Organisation der Grundkartenforschung. — R. Kötzschke: Die Technik der Grund 
kartenzeichnung. Deutsche Geschichtsblätter, hg. v. A. Tille, H. 2 1899 und H. 5 1900. 
3 K. Lamprecht, s. voranstehende Anm. 
4 J. Partsch: Histor. Grundkarten. Schlesische Zeitung, 6. Febr. 1892. 
5 J. E. Gerock: Eine Netzk. f. histor. u. geograph. Zwecke. P. M. 1914, II, S. 79. 
6 R. Kötzschke, s. Anm. 1, oben. — Vgl. H. Fischer: Historisch-statist. Grundkarten. 
P. M. 1918, S. 241, 242.
	        
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