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Die organische Welt im Kartenbild.
haft ausgeführt waren, nicht ganz zufrieden, da ihm die Darstellung des Geländes
mit den üblichen Schwungstrichen in Schlesien zu wenig sagte. Alle diese Karten
waren als Manuskriptkarten wahre „Kabinett-Stücke“. Am besten ausgeführt war
indessen die Karte von Preußen in 1 : 100000, die der Minister Graf Schulenburg
1785—1795 hersteilen ließ. Aus dem Nachlaß des Grafen gelangte sie in die Kabinett-
Kartensammlung der preußischen Könige.
Alle diese Karten waren im Grunde genommen „Kriegskarten“. Der Öffentlichkeit
werden sie erst von Anfang des 19. Jahrhunderts an zugänglich. Napoleons, wie Frank
reichs Bedeutung insgesamt haben wir in den Kapiteln „Frankreichs Anstoß zur
Staatstopographie“, „Die Landesaufnahmen und ihr Besitznehmen der Schicht
liniendarstellung“ im ersten Bande der Kartenwissenschaft in den Kreis unserer Er
örterungen gezogen. 1 Die Carte de l’empereur in 1 : 100000, die handschriftlich für
Napoleon angefertigt worden war und die sich über Rußland bis zur Dwina, Polen,
Nord- und Süddeutschland, Ober- und Niederösterreich erstreckte, soll 1908 bereits
420 Blätter umfaßt haben. 2 Die heutige französische Karte in 1 : 80000 und die Karte
des Deutschen Reichs in 1:100000 und ähnliche maßstabgroße Karten in andern
Ländern sind durchaus soldatischen Ursprungs und echte Kriegs- oder Militärkarten.
Ihre Bezeichnung „Generalstabskarte“ sagt genug. Das deutsche Werk ist eine der
hervorragendsten Leistungen der Karten der Gegenwart; wohl ist sie eine Soldaten
karte, die jedoch für die Wissenschaft, insbesondere für die Geographie von größter
Bedeutung ist. Den Übergang von der passiven Kriegskarte zur aktiven bildet die
Militärkarte, die wir auf S. 495 beleuchtet haben und die wir auch hier hätten
einreihen können. Im Grunde genommen wäre sie, wenn wir die militärisch topo
graphischen Kriegskarten gänzlich ausschalteten, die passive Kriegskarte. Auch das
ist zu beachten, daß viele Kriegskarten nicht der Vorbereitung der Kriege galten,
sondern nach dem Kriege angefertigt wurden, um an diesen Karten eventuell neue
kriegerische Verwicklungen zu studieren. 3
Die passive Kriegskarte ist die Grundlage der aktiven Kriegs karte. Ebenso
dient sie zur Basis der Kriegsoperationen, weshalb sie für sich allein den Namen
„Operationskarte“ nicht verdient, wie z. B. die vom deutschen Generalstabe während
des Krieges herausgegebene Operationskarte in 1 : 800000, die ganz Europa mit Ein
schluß von Kteinasien, Syrien, Mesopotamien, Sinai-Halbinsel, Unterägypten umfaßt.
Erst wenn diese Karte Kriegsoperationen, Heeresbewegungen usw. zeigte, wurde sie
zu einer Operationskarte, im übrigen bleibt sie nur die Vorlage zu einer Operations
karte. Da der Kriegskarte der Gegenwart, d. h. des letzten Weltkrieges, in dem
„Anhang“ meines Werkes ein großer Raum der Erörterung geboten wird, beschränke
ich mich hier auf die rein historischen aktiven Kriegskarten, auf die Schlachtenpläne,
bzw. Kriegsschauplatzkarten.
In der Geschichte der Kartographie lassen sich wiederum zwei Arten von aktiven
Kriegskarten voneinander scheiden: Rekonstruierte und autogene Schlachten-
1 M. Eckert: Kartenwissenschaft, I, S. 44off., 453ff.
2 A. Kersting: Der Einfluß des Krieges auf die Gesamtkultur. In: Die Kultur der Gegen
wart. IV. Teil. Die techn. Wissensch. 12. Bd. Technik des Kriegswesens, unter Redaktion von
M. Schwarte. Leipzig-Berlin 1913, S. 809.
3 Hierher gehören z. B. all die schönen Karten, die vor dem Weltkriege im k. k. Kriegs-Archiv
zu Wien auf bewahrt wurden, und die insonderheit das Kriegstheater der teutschen und franzoesischen
Graenzlanden zw. d. Rhein u. der Mosel zum Vorwurf hatten. Es waren Karten von 1702, 1744. 1760,
1793, 1798, 1803, von den verschiedensten Bearbeitern und verschiedensten Verlagsstädten.