34
Die See- und Meerkarte.
(rebelip) sind Übersichtskarten und entsprechen unsern Segelkarten in den Maßstäben
von 1:800000 bis 1:1300000 und darüber (s. Bild 3). Schlick unterscheidet drei
Hauptabteilungen der Rebbelib, einmal die, die sich über die ganze Inselwolke der
Marshallinseln erstrecken, sodann die, die nur über eine der beiden Ketten (Ralick-
oder Batackinseln) Aufschluß gibt, und zuletzt die, die entweder den Südteil oder
den Nordteil der Gesamtgruppe zeigen.
Die Schiffahrt wurde trotz Stäbchenkarte nur bei günstigem Wetter unter
nommen, wo der eigentliche Seegang gering und die Dünungen gut zu erkennen waren.
Dann segelte man nicht bloß in einem Kanu, sondern in mehreren, um sich besser
in Gefahren beizustehen und leichter das anzusegelnde Eiland zu finden.
Man darf wohl annehmen, daß ähnliche, im Aufbau mehr oder minder verwandte
Karten auch bei andern Inselgruppen Ozeaniens gebaut und gebraucht wurden,
selbst wenn nur kümmerliche oder gar keine Mit
teilungen darüber vorliegen, wie von den Karten
der andern mikronesischen Gruppen, den Marianen
und Karolinen. Auch von den Fidschiinseln hören
wir noch von Karten, ob aber in Polynesien und
Melanesien die Kunst der Stabkartenherstellung ge
übt wurde, ist mehr als zweifelhaft. Sie scheint nur
auf Mikronesien beschränkt zu sein und da ist sie,
wie wir eben bemerkten, nicht überall einwandfrei
festgestellt, was sich daher erklären läßt, daß eine
derartige Kunst nur wenigen Häuptlingen geläufig
und noch dazu mit Tabu belegt, mithin den Ferner-
stehenden ganz unzugänglich war.
Vorgänger der Stabkarten sind offenbar die
Steinsetzungen auf verschiedenen Inseln; Steine oder
andere Gegenstände wurden so in den Sand gelegt,
wie man annahm, daß die einzelnen Inseln zueinander
lägen. Auf alle Fälle sind die Stabkarten wichtige
Kulturdokumente, mit denen sich viele Karten des
Mittelalters (Radkarten), selbst verschiedene der Re
naissance nicht messen können. Um so unverständ
licher wird dann ein Ausspruch, der sich sogar in einer deutschen ethnographischen Zeit
schrift findet: „Die sogenannten ,Seekarten 1 sind als Spielerei zu betrachten“ 1 , selbst
wenn späterhin Marshallinsulaner, wie wir von Aug. Krämer wissen, Papier und Feder
benutzten, um auf einfacherm Wege sich ihre Seekarte anzufertigen. Ob nun die
Stabkarten vollständig geistiges Eigentum der Polynesier sind oder ob unsere Seekarten
nachgeahmt sind, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Infolgedessen sind die
Meinungen hierüber geteilt. 1 2 Wie dem auch sei, darf man diesen kartographischen
Leistungen, die heute leider schon der Geschichte angehören, da der Südseeinsulaner
jetzt die europäische Seekarte und den europäischen Kompaß zu handhaben versteht
und deshalb seine alte Kunst der Stabkartenherstellung vergessen hat, nicht die
Anerkennung versagen und muß dem Volke, das die Stabkarten anzufertigen und zu
benutzen verstand, das Zeugnis scharfer Beobachtung und großer Intelligenz ausstellen.
Rebbelib
Rongelap
Ütirik 1
o
AiUnginae f
Taka 0
\Wotthc j
AHuk o
\ujae 1
Hwakjeli\nn n
°Jemo
Li Rieb
Lib
'Nemu
\ n
0
^Wotje
Erikub
o
Ma/oe/ap
Aurh
AUing
lap °J\
^Majuro
\ 1 1 \ Arno °
^7/\o \ cJj/a/uit \ /
<?
-■/ /17/\Lr
Iamofrik
Mille
Ebon
Bild 3.
1 Vgl. Z. d. Ges. f. Ethnologie. Berlin, XV, 1883. Supplmt. Berlin 1884, S. 15.
2 A. Schück, a. a. O., S. 37.