Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Wii'tschafts- und Verkehrskarte. 
von beiden Welten ausgehen. In dem ewigen Hin- und Herfluten, in dem Wachsen, 
Gedeihen und Verderben, ja in dem Überstürzen und Herumwirbeln wirtschaft 
licher Erscheinungen greift die Karte mit eiserner Eaust ein, ordnet und hält fest, 
was zur fernem Belehrung und zur weitern Entwicklung des Wirtschaftslebens 
wichtig und lohnend ist. So ist die Wirtschaftskarte das beste Resümee über die 
wirtschaftliche Ausstattung eines Landstriches, aber auch über die wirtschaftliche 
Tüchtigkeit der Bewohner. Sie muß in der Tat alles prüfen und das Beste behalten. 
Im Wesen und Ziel der Wirtschaftskarte liegen ihre vielseitigen Arbeitsrichtungen. 
Entweder sind diese mehr naturwissenschaftlich oder mehr soziologisch gerichtet. 
Hier lockt die naturwissenschaftliche Forschung, dort die statistische Erhebung. 
Mit beiden muß die Darstellung der Wirtschaftskarte ringen. Erliegt sie der einen 
oder der andern, wird sie mehr den Charakter der naturwissenschaftlichen oder mehr 
den der statistischen haben. Ihr Ideal ist, sich von beiden zu emanzipieren und 
eigene Wege zu begehen, um sich in gleicher Stärke in der Wissenschaft sowohl wie 
in der Praxis Geltung zu schaffen und eine achtunggebietende Selbständigkeit 
innerhalb der angewandten geographischen Kartengruppe zu erringen. 
Selten ist es bloß eine Erscheinung, die im Wirtschaftskartenbilde zum Aus 
druck kommt; und ist es dennoch der Fall, sehen wir in der Tiefe noch andere Faktoren 
mitwirken, die heimlich durchs kartographische Antlitz hindurchschimmern. Auf 
tiefem Ursachen beruhen die Wirtschaftskarten, die die Abhängigkeit der Kulturen 
von der Bodenzusammensetzung, von der Höhenlage und von klimatischen Er 
scheinungen darstellen. Solchen Konnexen spüren wir nicht allein in Hinsicht auf 
die nutzbare Pflanzen- und Tierwelt sondern auch hinsichtlich industrieller Er 
scheinungen nach, deren Auffinden und Kartieren außerordentlich wichtig ist. 
Die Anzahl der Gesichtspunkte, die für die Darstellung von Wirtschaftskarten 
ins Feld geführt werden können, ist unberechenbar. Trotzdem wird man auf einige 
wenige Gesichtspunkte hinarbeiten müssen, um sich bei der Untersuchung über 
diese Karten nicht ins Uferlose zu verlieren. Es hat sich im Laufe der Zeit als vorteil 
haft erwiesen, entweder einer mehr natürlichen Einteilung, also den drei Natur 
reichen, zu folgen oder einem wirtschaftlich-technischen Prinzip und das Augen 
merk auf Eisen-, Metall- und Textilindustrie, auf Fabrik- und Hausindustrie, auf 
bodenständige und zugewanderte Industriezweige usw. zu richten. Um die vielen 
Erscheinungen und Tatsachen im Kartenbilde widerzuspiegeln, bedarf es ungewöhn 
licher wirtschaftsgeographischer Kenntnisse. Über diese Voraussetzung stolpern 
viele Anfertiger von Wirtschaftskarten. Mit einer gediegenen Kenntnis muß sich eine 
geschickte Generalisierung paaren. Die richtige Auswahl des Stoffes begegnet bei 
der Wirtschaftskarte oft großem Hindernissen als bei der gewöhnlichen Landes 
karte. Nicht selten gilt es, kleine und besonders wichtige und interessante Vor 
kommnisse, wie z. B. den Palmenhain bei Elche, die Zedern im Libanon, die Bern 
steinküste Samlands usw. auf Kosten anderer Tatsachen hervorzuheben. Das alles 
dürfte zur Genüge erhellen, daß gerade auf dem Gebiete der Wirtschaftskarte die 
innigste Zusammenarbeit von Gelehrten mit Kartographen ein erstes Postulat ist. 
Und in ihrem Zusammengehen mit der Praxis wird sich die wahre Wirtschaftskarte 
der Gegenwart und Zukunft entwickeln. Sie muß die Offenbarung des mensch 
lichen Daseins w r erden. 
Man ahnt die zwingende Gewalt, die in ihr liegt. Darum nähert man sich ihr 
auch so behutsam, was nicht verschlägt, den Kraftstrom zu bestimmten, manchmal
	        
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