Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Wirtschafts- und Verkehrskarte. 
Relativität unserer heutigen kartographischen Erzeugnisse hinwegzusetzen und sie in 
das richtige geistige Maß, in die sichere geistige Einstellung zu bringen. Bis dahin 
hat es noch geraume Zeit. Indessen wollen wir uns mit den heutigen Tatsachen ab- 
finden und so gut, wie es eben möglich ist, Klarheit in den Streit der Meinungen 
zu bringen und die Morgenröte neuer Darstellungen zu zeichnen versuchen. 
Bei Lichte besehen gibt es keinen Streit über den Aufbau der richtigen Wirt 
schaftskarte, sondern nur einen Unterschied in der Auffassung über den Weg, der 
zum Ziele führt. Hier ertönt der Ruf: wirtschaftliche Gesamtausstattung der Erde! 
dort der Ruf: nur Einzeldarstellung! Wie es dem auch sei, jedenfalle sind beide 
gleichberechtigt und erst die von wissenschaftlichem und praktischem Takt geleitete 
Auswahl aus der Summe der Einzeldarstellungen führt* zur Gesamtausstattung. 
Letzteres Verfahren wird meistens übersehen, was schließlich mit dem Entwicklungs 
gang der Wirtschaftskarte, die als eine solche der gesamten wirtschaftlichen Aus 
stattung das Licht der Welt erblickte, zusammenhängt. Die Frage, ob Einzel- oder 
Gesamtdarstellung das beste für wirtschaftsgeographische Karten ist, dürfte kaum 
noch die Meinung verwirren, wenn logischer gedacht und neben dem Maßstab und 
dem verschiedenartigen Zweck auch auf das Sehvermögen unsers Auges und 
das Aufnahmevermögen unseres Geistes geachtet würde. 
Seit zwei Jahrhunderten hat man sich gequält, der allgemeinen Ausstattung 
der Erde mit wirtschaftlichen Dingen auf der Karte gerecht zu werden. In neuerer 
Zeit haben neben andern hauptsächlich E. Friedrich und A. Oppel 1 an dem 
Problem gearbeitet, ohne es gelöst zu haben. Von seiner frühem Ansicht, der 
Gesamtausstattung allein das Wort zu reden, ist Friedrich abgekommen, wie die 
Karten beweisen, die er seinen neuern wirtschaftsgeographischen Arbeiten bei 
gegeben hat. Wenn seine ältern Veröffentlichungen der heutigen Kritik nicht mehr 
standhalten können, sind sie doch, weil sie die Epoche des Ringens nach einer 
bessern Methode der kartographischen Darstellung der wirtschaftsgeographischen 
Materie mit einleiten, von hohem Interesse und eingehendem Studiums wert; denn 
viele seiner feinsinnigen Untersuchungsergebnisse bestehen heute noch zu Recht. 
In scharfer Weise wendet sich E. Friedrich in der Abhandlung über die An 
wendung der kartographischen Darstellungsmittel auf wirtschaftsgeographischen 
Karten 1 2 gegen die Einzeldarstellung wirtschaftsgeographischer Erscheinungen. Jeder 
wird ihm beistimmen, wenn er sagt, daß der Übersichtlichkeit die wertvollsten 
Dienste (über der begrifflichen Scheidung hinaus) die Wertscheidung innerhalb der 
Produkte und Verkehrslinien leistet. Aber auch in dieser Wertscheidung sind bald 
die Grenzen der Darstellungsmöglichkeit erreicht. Nicht allzu schwierig ist die 
Wertscheidung innerhalb des Verkehrsnetzes. Aber schon auf Karten von nicht zu 
kleinem Maßstabe müssen die Hauptlandstraßen unterdrückt werden, und auf Karten 
in den üblichen Maßstäben der geographischen Hand- und Atlaskarten sind in den 
kulturell hochstehenden Staaten eine Menge Eisenbahnstrecken zu eliminieren. 
Gar zu oft hält es schwer, die richtige Auswahl der darzustellenden Linien zu treffen. 
Denken wir ferner an eine wirtschaftliche Karte von Deutsch-Ostafrika und wollten 
1 A. Oppel: Üb. Wirtschaftsgeographie u. wirtschaftsgeographische Karten. Deutsche Geogr. 
Bl. XIV. Bremen 1891. S. 45 — 64. 
2 E. Friedrich: Die Anwendung der kartogr. Darstellungsmittel auf wirtschaftsgeogr. Karten. 
Habilitationsschrift. Leipzig 1901. 1 K.
	        
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