Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Zur Methodik der Wirtschaftskarte. 
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karte, aber keine Einheitkarte. Die mit schwarzer Schraffur bedeckte Karte Deutsch 
lands gibt ja ein ganz leidliches Bild über die Erntemenge von 500 zu 500 kg 
pro Kopf, was indessen nur für eine Karte flächenhafter Produktion paßt. Das 
heißt mit andern Worten, für die Karten der Schätze unter dem Boden und für 
Industriekarten ist die Methode nicht geeignet. Des weitern erfordert jedes Urprodukt 
eine besondere Karte. Ist dieses durchführbar, um so besser. Ob die Karte geo 
graphisch ist, muß bestritten werden. Denn sie ist keine Wirtschaftskarte mehr, sondern 
höchstens ein Kartogramm, und die langen, verschieden breiten und verschieden 
dicken Striche wirken nichts weniger als ästhetisch. 
Nicht in Abrede wollen wir stellen, daß ein gesunder Kern in der Tiessenschen 
Argumentation liegt. Nur sind „seine Karten keine „Einheitkarten“, sondern Karten 
nach einer „einheitlichen Methode.“ Da ist aber ein großer Unterschied. Die Einheit 
karte sagt: Ich bin die Karte, die einzig und allein die Wirtschaftsgeographie an 
zustreben hat, die einzig und allein für wirtschaftsgeographische Darstellungen maß 
gebend ist, an die einzig und allein ein Fortschritt im Entwicklungsgang der Wirt 
schaftskarte gebunden ist. Sämtliche drei Punkte kann die Thiessensche Karte 
nicht erfüllen. Wohl sind sie Karten nach einer einheitlichen Methode, die jedoch, 
wie ich oben bemerkte, bloß den Karten flächenhafter Produktion zugute kommen, 
also nicht den vorgenannten Standortkarten. Nun entsteht die weitere Frage: Ist 
es möglich, daß die wirtschaftsgeographischen Karten nach einer einheitlichen 
Methode aufgebaut werden können? Auch hier muß ich wieder mit „nein!“ antworten. 
Wohl ist es richtig und erstrebenswert, daß die unzähligen Methoden, nach denen 
Wirtschaftskarten geschaffen werden, mehr und mehr vereinheitlicht, d. h. auf einige 
wenige reduziert werden. Völlig ausgeschlossen ist es, mit einer Methode zu be 
friedigenden Ergebnissen für alle wirtschaftlichen Phänomene zu gelangen. Das ist 
nun einmal so und wir wollen uns nichts weiß machen, daß es anders sei. Das hegt 
ebensosehr an der Materie wie an den unverwischbaren Unterschieden der zu er 
forschenden Grundmaterie. Nur in gewissen Bichtungen läßt sich eine Vereinheit 
lichung erstreben, für manche Industrie- und Handelskarten nach der Methode, wie 
sie zuerst B. v. Semenow-Tian-Schansky angewandt hat. Wie ich mir eine einheit 
liche Methode für wirtschaftliche Einzelerscheinungen denke, die ich auch für die 
Eisenerzgewinnung erprobt habe, mag das Kapitel die Eisenerzkarte der Erde als 
Beispiel einer methodischen Einheitkarte erhärten (§ 215). 
201. Allgemeine kartographische Methoden. Würde es sich um eine besondere 
Veröffentlichung über die Wirtschaftskarte handeln, müßten die kartographischen 
Methoden mit aller Ausführlichkeit behandelt und untersucht werden. Da wir jedoch 
im Gange unserer Untersuchung uns schon eingehender den geographischen statisti 
schen und verwandten Methoden gewidmet haben, faß ich mich hier kurz und 
entgehe außerdem des Vorwurfs, Crambe repetita vorgesetzt zu haben. 
Befinden wir uns auch teilweise noch in dem Zustand des Bingens nach einer 
Methode der kartographischen Darstellung wirtschaftlicher Dinge, wie sich A. Supan des 
öftern ausgedrückt hat 1 , dürfte doch unsere Untersuchung über die Materie das ganze 
1 A. Supan über E. Serth: Handels- u. Produktionskarte der Erde, P. M. 1893, L. 372, 
S. 75; — über P. Langhans: Kleiner Handelsatlas, P. M. 1896. L. 62, S. 17; — über Philip’s Syste 
matical Atlas und Vidal-Lablache: Atlas général. P. M. 1895, L. 327, 328, S. 68; — über E. Friedrich 
bei Gelegenheit des Referates über den XIV. Deutschen Geographentag zu Cöln, P. M. 1903, S. 128.
	        
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