Die geschichtliche Entwicklung der Verkehrskarte.
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et du Comté de Nice“ von Bourcet in 1:86400, also im gleichen Maßstabe wie die
berühmte Cassinische Karte. Sie wurde in den Jahren 1749—1754 aufgenommen. 1
Die Orte sind nach ihrer Größe etwas unterschieden, nicht die Wege nach der Beschaffen
heit; die Hauptstraße zeigt die gleiche breite Doppellinie wie der einsame Gebirgsweg.
Waren die Wege in der Hauptsache als Doppellinie dargestellt, erkannte man
doch aus ihrer Ausführung, ob eng oder weit, ob dünn oder stark, ob ganzlinig oder
gestrichelt, oder punktiert, die Qualität der Wege. Auf den Karten, die dem großen
Publikum dienten, kam das weniger zum Ausdruck als bei den Karten, die mehr in
den Geheimarchiven als wichtige Kriegskarten verblieben oder deren Herausgabe sich
wegen der damit verbundenen Kosten verbot. Sie zeigen eine Akkuratesse und Schön
heit der Ausführung, die uns heute noch in Erstaunen versetzt. Im großen ganzen
gehören sie einer spätem Zeit an, mit Ausnahme der topographischen Karte (1720) des
Generals Peter v. Montargues, der durch Farben die Wegarten kennzeichnete. 1 2
Ich erinnere ferner an die ausgezeichnete Wegzeichnung und -klassifikatioft auf der
vom Grafen Schulenburg veranlaßten Karte. Sie zeigt die zentralen Teile der
preußischen Monarchie und die befreundeten Nachbargebiete. Zweifelsohne gehört sie
zu den besten Karten der Friederizianischen Zeit. Über die hier gleichfalls zu nennenden
Karten von Schmettau, Wrede, Decker, Tranchot vgl. § 189. 3
224. Die Anfänge der temporalen und distanten Elemente auf den Karten. Die
Reisekarte des 17. Jahrhunderts. Zeit und Entfernung sind vielfach als gleiche
Elemente aufzufassen, wenigstens im Sinne der ältern Reisekarten, wo mit der Zeit
angabe sich zugleich die Vorstellung der Entfernung verband oder umgekehrt. Von
den Mongolen, die selbst Kartenzeichner waren 4 , wissen wir durch Prschewalski, daß
sie alle Entfernungen durch die Zeit bezeichnen, die nötig ist, um sie reitend, sowohl
auf dem Pferde wie auf dem Kamele, zurückzulegen. 5 In den mitteleuropäischen
Karten zittern alte Reminiszenzen an die Reisekarten des römischen Imperiums nach,
aber auch Etzlaubsche Gedanken klingen verschiedentlich an.
Am einfachsten war es, die Entfernung der Orte von irgendeinem Hauptpunkt
aus in Tagereisen anzugeben. Das geschah mehr textlich als rein kartographisch. Aber
gerade eine ältere Karte weist auf diese Art Bezeichnung hin. Palästina stand durch
die Kreuzzüge im Vordergrund des Interesses für Reisende auf lange Fahrt. Durch
die vielen Reisen dahin wußte man allmählich die Zeit in Tagereisen zu taxieren. Auf
J. Zieglers Palästinakarte fallen die geraden Striche auf, die strahlenförmig von
Palästina auslaufen. 6 An den einzelnen Strahlen stehen Ortsnamen mit römischen
Zahlen, die offenbar die Reisetage nach den betreffenden Orten bezeichnen, so nach
1 Ausschnitte aus den Karten von Roussel u. Bourget gibt Berthaut in seinem Werke: La
carte de France 1750—1898. I. Paris 1898.
2 Uber die Karte von P. v. Montargues vgl. M. Eckert: Die Kartenwissenschaft, I, S. 388.
3 All die oben genannten Karten von Schulenburg, Schmettau, Wrede, Decker, Tran-
chott, die sich früher in der Bibliothek des Generalstabes befanden, werden jetzt in der Königl.
Bibliothek, der heutigen Staatsbibliothek, aufbewahrt, wo sie dem Publikum und dem Studium zu
gänglich sind.
4 Vgl. Wenjukow i. Geographical Magazine 1876, S. 127.
5 N. v. Prschewalski: Reisen i. d. Mongolei, im Gebiet der Tanguten u. d. Wüsten Nord
tibets 1870-1873. Jena 1877, S. 54.
6 Jacobus Ziegler: Quae intus continentur. Argentorati 1532. Das Werk besteht aus
8 Karten, deren 2. die Palästinak. ist: „Palestina, iisdem auctoribus . . .“. — Sie ist reproduziert
in E. v. Nordenskiöjds Periplus auf S. 151.