628
Wirtschafts- und Verkehrskarte.
graue Vorzeit zurückzugehen nicht selten gezwungen ist, wie bei den Bernsteinstraßen. 1
— Wir können uns hier nicht allzulange aufhalten, da die maßgebenden Arbeiten
mehr in das Gebiet der Geschichte als der Geographie gehören. Wie oft ist nicht die
Seidenstraße, die Zentralasien durchquerte, Gegenstand der Untersuchung und Dar
stellung geworden 1 2 ; noch öfter sind die alten Römerstraßen in den einzelnen Gebieten
des alten römischen Imperium erforscht worden. Ihnen hat man schon seit längerer
Zeit große Aufmerksamkeit gewidmet, wie die Arbeiten nebst Karten von C. M. Roth 3 ,
Fr. Kruse 4 , J. Hagen 5 u. a. beweisen.
Daß aber auch den alten wie neuern Straßen direkt geographisches Interesse
entgegen gebracht werden kann, haben unter andern Maull und Simon gezeigt. 0. Maull
zeichnet in seine Karte des Grenzgürtels der nördlichen Kalkalpen die Römerstraßen,
sodann die mutmaßlichen Römerstraßen und die Straßen des Mittelalters. 6 Die Ver
kehrsstraßen in Sachsen und ihren Einfluß auf die Städteentwicklung bis zum Jahre
1500 untersucht A. Simon. 7 Allgemein wird als richtig angenommen, daß Verkehrs
wege ortsbildend sind. Umgekehrt sind ebenfalls Orte wegbildend, wie uns die Geschichte
des Verkehrs lehrt. Sie zeigt aber auch, daß sich das Netz der Verkehrswege auflösen
kann, wie dies an der Nomadisierung Kleinasiens durch die Turkmenen und andere
Völker nachweisbar ist; denn damit hängt zweifelsohne der Untergang der alten hohen
Kultur und der Verfall der Verkehrswege zusammen. Wenn wir eine physikalische
Karte Sachsens, die zugleich die Straßen enthält, betrachten, könnte man leicht denken,
daß die großem Städte und Verkehrsmittelpunkte am Fuß des höhern Erzgebirges
den Gebirgsstraßen ihre Entstehung verdanken; vielmehr haben jedoch die Städte,
die ursprüngliche Kulturzentren fruchtbarer Landstriche und ergiebiger Bergwerks
distrikte waren, mit der Zeit bewirkt, daß sich aus der Fülle möglicher Straßen be
stimmte Gruppen ausgeschieden haben. Mithin sind die Pässe des Erzgebirges in
ihrer allgemeinen Lage und Richtung nicht von der Natur vorgezeichnete Wege; ihre
Entstehung ist ein Problem der Anthropogeographie. 8 Indessen verhält sich dies bei
den Paßstraßen meist umgekehrt und die Natur war der tonangebende Faktor, wie
1 Vgl. F. Rauers: Versuch einer K. der alten Handelsstraß, in Deutschl. 1 : 1500000 P. M.
1906.
2 U. a. vgl. A. Herrmann: Zentralasien zur Zeit der alten Handelsbeziehungen zw. China
u. d. iranisch-turanischen Ländern (114 v. Chr. bis 23 nach Chr. und 87 — 127 nach Chr.). P. M. 1911,
I, T. 4. — Wichtig ist auch A. Herrmann: Die alten Seidenstraßen zwisch. China u. Syrien. I.
Quellen u. Forsch, zur alten Gesch. u. Geogr., hg. von W. Sieglin. H. 21. Berlin 1910. Aus dieser
Schrift geht u. a. hervor, daß das chinesische Li in der Hanzeit f. China u. Zentralasien auf etwa 400 m
anzunehmen ist, während es in dem von griechischer Kultur beeinflußten Iran u. Syrien dem grie
chischen Stadion (185 m) gleichzurechnen ist.
3 C. M. Roth: Carte speciale de la principaute de Moldavie. Petersburg 1771. Darauf die
Voie Trajane als breite Doppellinie, gelb auskoloriert, von der Mündung des Seret in die Donau bis
zum Niester (Dnjestr). [Un.-Bi. Göttingen.]
4 Germania magna außer der Cimbrischen Halbinsel. Mit d. römisch. Hauptstraßen u.
den neuern Namen. Besonders nach Tacitus, Ptolemaeus, dem Itineraria Antonini u. der Tabula
Peutingeriana. I. J. 1822 entworf. von D. Fr. Kruse in Halle. Leipzig in Ernst Kleins literarischem
u. geographischem Comptoir 1823. — Beachtenswert die Rekonstruktion der alten Verkehrsstraßen,
mit d. Verkehrsmittelpunkten, wie Augusta Vindelicorum (Augsburg) od. Alcimo ennis (Cal-
münz) nordwestl. von Augsburg, Maltiaeum (Maden) südwestl. von Cassel. [Un.-Bi. Göttingen.]
5 Über Josef Hagen vgl. oben S. 519.
6 O. Maull: Der Grenzgürtel der nördl. Kalkalpen. P. M. 1910, II, T. 47.
7 A. Simon: Die Verkehrsstraßen in Sachsen usw. Diss. Leipzig. Stuttgart 1892. Mit 1 K.
8 Vgl. H. Schurtz: Die Pässe des Erzgebirges. Mit 1 Kartenskizze. Leipzig 1891.