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Wirtschafts- und Verkehrskarte.
Definition, indem sie unter Isochronen nur die Linien gleicher mittlerer Reisedauer
verstehen. Die mittlere Reisedauer kann jedoch sehr verschieden ausfallen, je nach
dem benutzten Verkehrsmittel. Gewiß liegt schon eine kleine Einschränkung in den
Ausführungen H. Wagners, wo er von der mittlern Zeitdauer spricht, „die auf
dem kürzesten Wege und mittels der schnellsten Verkehrsmittel gebraucht wird“, 1
indessen werden viele Punkte der Erde nur in einer ganz bestimmten Zeit erreicht,
so daß man von mittlerer Reisedauer kaum reden kann. Anders verhält es sich, wenn
Isochronen konstruiert werden, die auf der Schnelligkeit der Schiffe, insbesondere
der Segelschiffe, basieren; dann ist man vielfach auf die mittlere Reisedauer an
gewiesen, wie denn auch auf Schotts und Paulus’ Isochronenkarten „Linien gleicher
mittlerer Reisedauer“ zu lesen ist. Da aber diese Linien nur eine bestimmte Seite
des Isochronenproblems hervorheben, kann, unbeschadet der Verständlichkeit des
Wesens der Isochrone, das mehr einengende „mittlere“ ausgeschaltet werden 1 2 ; es
dominiert, wenn man die mittlere Reisegeschwindigkeit ermittelt und eine Karte
der Isochronanomalen entwirft, vorzüglich aber dann, wenn man es nur mit den
Geschwindigkeiten eines einzigen Verkehrsmittels zu tun hat.
Die Isochronen sind also die Linien gleicher Reisedauer, deren Größe außer
durch den Maßstab der Karte durch einen bestimmten Zeitabschnitt von einem be
stimmten Mittelpunkt aus festgelegt ist. Würde die Erdoberfläche gleichmäßig ge
staltet sein und keine Verkehrshindernisse aufweisen, müßten die Isochronen um
den gewählten Mittelpunkt gleich weit entfernte Kreise bzw. Kreisringe darstellen;
man kann sie ideale Isochronen nennen. Sie sind sofort durch die speziell äqui
distante, die mittabstands- oder speichentreue Projektion gegeben. Die wirklichen
Isochronen müßten sich mit den idealen decken, wenn, wie eben angedeutet, nicht
die Verteilung von Wasser und Land, Hoch- und Niedrigland und Gebiete mit dauern
dem Eise den Verlauf der wirklichen Isochronenzone so außerordentlich modifizieren
würden. Immerhin bleibt aber bei jeder wirklichen Isochrone die Frage bestehen,
wie weit differiert sie von der ihr zugehörigen idealen Isochrone; letztere bietet immer
die maßgebende Vergleichsbasis. Und diese Basis muß gewahrt bleiben, selbst wenn
auf den Vergleich nicht weiter eingegangen wird; oder mit andern Worten: das mitt
abstands- oder speichentreue Netz ist die für eine Isochronenkarte gegebene Pro
jektion. Es entsprechen mithin auf einer mittabstandstreuen Karte die Entfernungen
in jedem Strahle der Strichrose, in deren Mittelpunkt der gegebene Ort liegt, genau
den wirklichen Entfernungen auf der Erdkugel. 3 So ergeben fernerhin die Strahlen
oder Speichen der Projektion, die orthodrome Linien sind 4 , weil sie in der Richtung
1 H. Wagner: Lehrbuch der Geographie. 10. Aufl. I. Bd., 3. Teil. Hannover u. Leipzig
1923, S. 985.
2 Auch ich vertrat früher die engere Auffassung. Vgl. Wesen u. Aufgaben der Wirtschafts-
geogr. D. Geogr. Bl. XXVII. Bremen 1904. S. 20. Aber die tiefere Beschäftigung mit dem Pro
blem führte mich zu der weitern Auffassung. In dem zitierten Aufsatz hatte ich auch die Stellung
C. Ritters zum Isochronenproblem so wiedergegeben, wie sie F. G. Hahn auffaßt. — Anbei sei
bemerkt, daß sich K. Hassert gleichfalls in seiner Allgemeinen Verkehrsgeographie (Berlin u. Leipzig
1913, S. 41—60) eingehender mit den Isochronenkarten beschäftigt hat.
3 Schjerning möchte mit einer Isochronenkarte die Flächentreue der Karte verbinden, dabei
geht aber das Charakteristische der Karte, das durch die Strahlen der »Strichrose bedingt ist, verloren.
Vgl. Schjerning: Über mittabstandstreue Karten. — Auch Hossinger hat für seine Welt isochronen
karten ein flächentreues Netz gewählt, und zwar die Mollweidesche Projektion, die vor ihm Bartho-
lomew schon 1889 angewandt hatte (s. oben).
4 Nur die »Strahlen, die auf den Ortsmeridian fallen, sind zugleich loxodromisch.