Teil VI.
Ästhetik uud Logik der Karte.
A. Ästhetik der Karte.
I. Grundlagen der Kartenästhetik.
248. Einführung. Kartographie und Kunsttätigkeit. Am Schluß der Forschungen
und Untersuchungen über die Kartenwissenschaft angelangt — sofern es überhaupt
erlaubt ist, von einem Schluß zu reden —, wird es zur Pflicht, Rückschau über
das zu halten, was die Kartenwissenschaft im wesentlichen will und bietet. Mit Um
gehung der üblichen Zusammenfassung will ich versuchen, gleichsam von einem
Kothurn, dem Kavalier aus unter dem Gesichtswinkel der Ästhetik und Logik ver
schiedene uns bekannte Hauptprobleme der Kartenwissenschaft nochmals zu be
trachten. Vielleicht wird bei dieser Betrachtung manchem verschiedenes klarer als
bei der reinen wissenschaftlichen Untersuchung, vielleicht erlernen viele etwas von
der Kunst zu sehen, die nur wenigen von vornherein gegeben ist. Namentlich die
Gabe, Kartenwerke richtig zu betrachten und dadurch zu rechtem, vollkommenem
Genüsse zu gelangen, fehlt gar vielen, auch denen, die sich für Karten und ähnliche
Kunstwerke interessieren und sich damit, sei es zum Studium oder nur zur Freude
und allgemeinen Orientierung, beschäftigen.
Keine Ästhetik der Karte wird an der Frage vorübergehen: Was ist an der
Karte Kunst? Die Antwort haben wir bereits gegeben. 1 Nur einzelnes Grundsätz
liches sei noch nachgetragen. Die Meinungen darüber, was ist an der Karte Kunst,
was nicht, waren bisher geteilt. Ich hoffe, der richtigen Ansicht Ausdruck verliehen
zu haben, gestützt auf die Aussprüche bewährter Geographen und Kartographen.
Ihnen möchte ich noch das Wort eines Altmeisters der Kartographie, E. Debes,
beifügen: 1 2
„Die Kunst des Landkartenzeichnens nennt man Kartographie“.
Gewiß ist, daß die Kartographie, wenn keine reine Kunst, auch keine reine
Technik ist. Die Kartographie ist eine Art angewandter Kunst, eine nach wissen
schaftlichen Gesetzen geregelte und bestimmte Kunsttätigkeit. Wo aber entwindet
sich die Kartographie den starren Fesseln der mathematischen Gesetze? Der ent
scheidende Wendepunkt liegt bei dem Übergang von der topographischen Karte zur
1 M. Eckert, .Kartenwissenschaft, I, S. 81 — 85.
2 E. Debes im Eingang zu seinem Artikel über Kartographie in Meyers Großem Konversations-
Lexikon.