Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Grundlagen der Kartenästhetik. 
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nicht so störend wie die vielen Nebenkarten, mit denen man neuerdings Übersichts 
karten zu bespicken pflegt. Würden viele dieser Übersichtskarten, z. B. Afrika, als 
Kalotte abgewickelt gedacht, sinngemäß von einem Kreis umrahmt, wie auch B. Hammer 
vorschlägt, würde auf dem viereckigen Kartenblatt genug Raum für Nebenkarten 
verbleiben. Besonders werden gern die Meeresteile mit Nebenkärtchen vollgestopft, ohne 
dabei zu bedenken, daß die Meere doch auch wichtige Bestandteile des ganzen Karten 
bildes sind. Auch wirken die alten Randornamente noch schöner als die in neuerer 
Zeit zur Liebe der vergleichenden Maßstäbe üblich gewordene Durchbrechung des Karten 
randes. Vorzüglich auf Schulhand- und -atlaskarten ist dies zur Unsitte ausgeartet, 
und die Karte steckt nur noch mehr in einer Zwangsjacke 1 anstatt in einem Rahmen. 
Ebenso unschön ist die Karte, wenn der Kartenrand von dem innern Kartenbild 
nur teilweise erreicht wird. Auf den Grenzsektionen der offiziellen Aufnahmen macht 
sich dieser Übelstand besonders bemerkbar. 1 2 Noch schlimmer ist das Unterbrechen 
eines bestimmten Teils der Zeichnung durch die politische Grenze, wie auf einer Über 
sichtskarte von den Waldungen Preußens 3 , wo zusammenhängende Waldkomplexe 
in unnatürlicher Weise (z. B. bei den preußischen Enklaven Schleusingen und Schmal 
kalden in Thüringen) an den preußischen Grenzen aufhören, während das übrige 
Landesbild, einschließlich des Geländes, weitergeht. 
Der durch die Rand bild er geförderte dekorative Schmuck der alten Karten 
bildet, um es nochmals zu wiederholen, einen wesentlichen Bestandteil des Karten 
bildes. Auf eine geschmackvolle Umrahmung wurde in den ältern Zeiten eine außer 
ordentliche Sorgfalt verwendet. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verlor sich diese 
Art Ausschmückung mehr und mehr und machte im 19. Jahrhundert einer geschmack 
losen Nüchternheit Platz. Doch gegen Ende dieses Jahrhunderts, als sich das künst 
lerische Leben wieder mehr zu regen begann, bei den deutschen Verhältnissen gewiß 
mit ein Ergebnis der nationalen Einigung und des wachsenden nationalen Wohlstandes, 
fing man wieder an, sich in die Kunst einzufühlen und wieder ästhetisch zu sehen. 
Die Kartographie hat auch davon profitiert. Man findet jetzt wieder, daß ein passender 
Kartenrand die Schönheit der Karte erhöht. Selbst die moderne, im „Jugendstil“ 
geschwungene Linie wurde dem Kartenrande angepaßt. 4 Mit Recht ist man von diesem 
Linienschwung wieder abgekommen. Die Umrandungslinien präsentieren sich teils 
in einfachen Linien teils in zusammengesetzten Linienfiguren. Modern ist es geworden, 
insbesondere auf Wandkarten, den Kartenrand zwischen Umrandungslinie und äußerstem 
Kartenrand (Kartenabschluß) mit irgendeiner Farbe zu bedecken, mit Braun, Grün, 
Blau oder Grau; man glaubt, eine plastischere Wirkung des gesamten Kartenbildes 
zu erzielen und der Karte mehr einen bildartigen Abschluß zu geben. 
1 Beispiele hierfür bieten, selbst renommierte Schulatlanten. Allerdings sei hierbei nicht ver 
gessen, daß Maßstab. Format und Preis zu solch unschönen Auswüchsen zwingen. 
2 Auf der schönen, in braunen Schichten ausgeführten Karte der Österreichisch-Ungarischen 
Monarchie mit dem Okkupationsgebiete Bosnien und Hercegovina, 1 : 900000, bearbeitet u. heraus 
gegeben vom k. k. Mil.-geogr. Inst. i. Wien 1888, schließt die Terraindarstellung scharf mit der 
Reichsgrenze ab, was wohl zur Einprägung der Figur des Kaiserstaates von Vorteil ist, dagegen das 
physikalische Bild und die Zusammengehörigkeit bestimmter Gebirgsgruppen ganz entschieden be 
einträchtigt. 
3 Übersichtskarte von den Waldungen Preußens, hergestellt von dem Forsteinrichtungs- 
Bureau im Königl. Ministerium f. Landwirtschaft, Domänen u. Forsten in 1:000000. Berlin 1887. 
4 Vgl. die als Sonderkarte herausgegebene Alpenkarte aus Stielers Handatlas aus dem Anfang 
des neuen Jahrhunderts.
	        
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