702 Ästhetik und Logik der Karte.
gespart wird, wie es Petermann 1 , Weber 1 2 , Krümmel 3 , Bartholomew 4 n. v. a. m.
getan haben.
Noch einer besonders schönen Ausführung der Meereskolorierung sei gedacht;
nämlich an den gelbbraunen Ton des Landes zunächst eine Stufe in Blaß-Rosa an
zusetzen, sodann eine Stufe in Weiß folgen zu lassen und von da ab sich nach der
Tiefe des Meeresbodens zu mehr und mehr gesättigten Blaus zu bedienen. Ein der
artig zarter Rosaton wirkt ausgezeichnet und erhöht ungemein die Anschaulichkeit
des Kartenbildes, besonders wenn es auf Fernwirkung berechnet ist. 5
2t»l. Kartenästhetisch begünstigte Gebiete. Die Farbe der Terrainkarte ver
folgt zweierlei Zwecke, einmal bestimmte Höhengebiete voneinander zu unter
scheiden, andermal einen plastischen Eindruck zu erzielen. Der eine Zweck
ist ebenso wichtig wie der andere. Nicht selten bekämpfen sich beide, nicht selten
geht jeder allein, dann aber gehen auch beide wieder zusammen und erzeugen ein
Bild, das malerischer kaum zu übertreffen scheint, vorzüglich wenn wir an die Hoch
bildkarten der Schweiz denken und unter ihnen wiederum an die offizielle Wandkarte
der Schweiz. Ist es nicht, wenn wir diese Karten betrachten, als ob wir auf einem
hohen Berge stünden und die gesamte Schweiz überblickten; in rötlich warmen
Farben strahlen uns die einzelnen Ketten und Massivs entgegen, in bläulichem
Duft ziehen sich diskret die Täler und Tiefen vor dem beschauenden Auge zurück.
In die Talungen und Becken ist das Tiefblau der Seen eingebettet. Alles atmet
Licht und Leben. Die Höhen drängen sich förmlich nach dem Licht. Die duftigen
Schleier der Tiefe verschwinden beim Anstieg zur Höhe, unmerklich geht ein Farbton
in den andern über bis zu seiner auf den Höhen ihm innewohnenden Leuchtkraft;
auch die Schattentöne gewinnen an Kraft von der Tiefe nach der Höhe. Keine
grellen Übergänge beleidigen das Auge. Sind das nicht alles Wahrnehmungen, wie
sie jeder aufmerksame Wanderer in den Bergen schon erlebt hat! Was aber nur auf
beschränktem Raume erlebt und gesehen werden kann, ist auf ein großes Ganzes
übertragen. Darum die packende Schönheit der Karte, die Anschaulichkeit, die
selbst den naiven Sinn, der noch nicht über die Dinge nachdenken gelernt hat, mit
einem. Schlage in die Terraingestaltung, in das Kartenverständnis einführt. In dem
schnellem Einfühlen in das Gelände liegt auch der Grund, weshalb in der Haupt
sache die Touristenkarten in schräger Beleuchtung gezeichnet werden.
Die offizielle Wandkarte der Schweiz bedeutet einen Abschluß der Bestrebungen
nach plastischen Kartenbildern der Schweiz, welche Bestrebungen schon auf Jahr
1 A. Petermann: Die Challenger-Expedition, 21. Dez. 1872 bis 27. Juli 1873, u. Übersicht
der Tiefenmessungen im nordatlantischen Ozean. 1: 25000000. P. M. 1873, T. 24. — Tiefenkarte
des Großen Ozeans. 1: 36300000. P. M. 1877, T. 7.
2 W. Weber: Tiefenkarte des Arabischen Meeresbusens. 1 : 4000000. P. M. 1888, T. 16.
3 O. Krümmel: Tiefenkarte des Euböischen Euripus. P. M. 1888, S. 20.
4 Vgl. Bartholomews Karte: The surface relief of England & Wales. Von mir schon ein
gehender oben gewürdigt. Andere Karten von Bartholomew und den Survey-Atlanten von Schott
land, von England u. Wales wären hier herbeizuziehen.
5 Die Meereskarten von M. Groll gehören zu diesen schön ausgeführten Karten. — Einen
Vorläufer dieser Kolorierung kann man erblicken in der Karte des Seebodens an der atlantischen
Küste der Vereinigten Staaten von Nordamerika, nach den Untersuchungen des nordamerikanischen
Coast Survey von L. F. von Pourtales, 1 : 10000000, P. M. 1870, T. 20. Hier legt sich an die
Westküste der Vereinigten Staaten ein hellroter Streifen an, Kieselsand darstellend, dann folgen im
violetten und blauen Ton Korallenkalk und Polythalamienkalk.