712
Ästhetik und Logik der Karte.
im übrigen sehr gut ausgeführten Höhenschichtkarte von Mähren und Österreichisch-
Schlesien von C. Koristka 1 und spricht geradezu von der Forderung, daß d^ Höhen
schicht-Kolorit eine innigere Beziehung zu der zeichnenden Darstellung des Beliefs
nehmen soll. Dasselbe ist von der Höhenschichtkarte der Eifel von H. Bauff zu
sagen. Die braunen, nach oben dunkler werdenden Töne streben die Plastik des Bodens
an, die aber durch das plötzliche Auftreten von hellen, rötlich-violetten Farben herab=
gedrückt wird.
Die ästhetische Wirkung der Böschungsplastik. Die Methode der Terrain
darstellung: Je höher, desto dunkler! ist die Übergangsform von der strengen Farben
plastik zur eigentlichen Böschungsplastik. Alle Farbenplastiken beruhen mehr
oder minder auf Gefühl. Nun gibt es noch eine Plastik, und zwar die, die sich in der
senkrecht beleuchteten Schraffenkarte offenbart. Diese Kartenart gibt immer das
treueste kartographische Anschauungsbild unserer Erdoberfläche. 1 2 Die Gelände
zeichnung wird hier von der mathematischen Überlegung beherrscht. Hier gibt die
Schraffe keinen Schatten wieder, nur den Grad der von senkrecht verlaufenden Licht
strahlen getroffenen Geländeneigungen. Bei dieser Art Karten, wie z. B. bei den
schon mehrmals genannten Karten von Kaupert, ferner auch auf den Gebirgssektionen
der Karte des Deutschen Reiches 1:100000 oder auch auf den offiziellen Schraffen-
kartenwerken Österreichs u. a. m., ist es in keiner Weise angebracht, von einer Schatten
plastik zu sprechen, wohl aber von einer Belichtungsplastik, besser noch, um
jeden Zweifel auszuschließen, von einer Neigungs- oder Böschungsplastik.
Das Muster dieser plastisch wirkenden Karten kennen wir in dem Oberreitschen
Atlas von Sachsen.
Die schwarze Schraffe ist wegen ihrer kräftigen Wirkung für böschungs
plastische Darstellungen immer bevorzugt worden. Aber auch die farbige Schraffe
läßt sich gar wohl dafür verwenden, wie es J. Payer schon vor mehr als vierzig Jahren
mit braunen Schraffen auf einer Karte der Ortleralpen 3 bewiesen hat, einem Kabinett
stück von einer Gebirgskarte, das leider wenig Nacheiferung gefunden hat.
Die Böschungsplastik gehört ebenfalls zu den theoretischen Plastiken, da sie
nicht direkt der natürlichen Plastik, wie sie bei dem Beobachter in der Natur durch
die Licht- und Schatten Verteilung erweckt wird, entspricht, sondern erst nach Be
obachtung der feinem Gesetze der Lichtverteilung, bzw. Belichtung für ein großes
Ganze konsequent dmchgeführt wird. Ganz ähnliche Effekte, theoretisch noch
penibler als mit der Schraffe, erzielt man mit dem Punkt. (Eckerts Punktsystem.)
Ein plastischer Eindruck ist den senkrecht beleuchteten Karten
nicht abzustreiten. Läßt man eine derartige Karte längere Zeit auf sich einwirken,
wird sie mehr und mehr lebendig, wir beobachten wie die gebirgigen Gegenden
gleichsam aus ihrer niedrigem Umgebung heraus wachsen. Wie kompliziert und
1 Höhenschichtenkarte von Mähren und Österreich-Schlesien, nach dem im Aufträge des
Werner-Vereins ausgeführten sowie nach andern Höhenmessungen entworfen und gezeichnet von
C. Koristka und herausgegeben vom Werner-Verein zur geologischen Durchforschung von Mähren
und Österreichisch-Schlesien. 1 : 432000. Brünn 1863. — Vgl. darüber E. v. Sydow in dem karto-
graph. Standpunkt Europas i. d. Jahren 1862 u. 1863. P. M. 1863, S. 472.
2 Krümmel-Eckert: Geographisches Praktikum. Leipzig 1905, S. 29.
3 Original-Karte der westlichen Ortleralpen von Julius Payer. 1 : 36000. P. M., Ergh. 23,
1868.