Die Kriegskarten im allgemeinen und beim Ausbruch des Krieges.
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bar, daß ein gründlich fundiertes und ausgestattetes Kriegswesen, zu dem auch die
Karte gehört, das beste Friedensmittel ist. Diese Tatsache, an der viele bewußt mit
Scheuklappen vorübergehen, hämmert uns die Geschichte der letzten Jahre mit harten,
unerbittlichen Schlägen ein. Infolgedessen werden auch die folgenden Erörterungen
über die Kriegskarte nicht vergeblich sein; sie werden nicht bloß der Wissenschaft
dienen, sondern auch die Kreise aufhorchen lassen, die für allgemeine Abrüstung und
ewigen Frieden schwärmen und tönen.
Bereits außerhalb meiner eigentlichen Studien zur Kartenwissenschaft habe
ich zur richtigen Beurteilung des Kriegskarten- und Kriegsvermessungswesens das
Wort ergriffen 1 , namentlich war es gleich nach dem sogenannten offiziellen Schluß
des Weltkrieges, nachdem von inländischer Seite sowohl wie ganz besonders von aus
ländischer Angriffe erfolgten, die weder gerechtfertigt noch stichhaltig waren und
vielfach an dem eigentlichen Wesen der Sache vorbeiredeten. Seitdem sind, soweit
ich die Literatur überblicke, nur wenige gehaltvolle Abhandlungen und Aufsätze
über das Kriegsvermessungswesen in den verschiedenen Ländern geschrieben worden;
mit Ausnahme von rein technischen Dingen ist in ihnen wesentlich Neues nicht auf-
gestellt worden; im Gegenteil, nur Altes und bereits besser Gesagtes wird wieder
gekaut und verwässert. Schon von diesem Gesichtspunkte aus lohnt es sich, noch
mals auf die Grundzüge des Kriegsvermessungswesens einzugehen mit der bewußten
Tendenz, die deutschen Leistungen sine ira et stad io in das rechte Licht zu rücken,
ganz wie sie es verdienen, fußend auf meinen eigenen weitreichendsten Erfahrungen und
friihern Veröffentlichungen.
In Deutschland haben außer mir u. a. hauptsächlich der frühere Kriegs venness i mgs-
clief, der jetzige Oberstleutnant a. D. (während des Krieges Major) S. Boelcke über
das Kriegskarten- und Kriegsvermessungswesen geschrieben. 1 2 Auf englischer Seite
haben* wir einige Veröffentlichungen, unter denen der Vortrag über das englische
Vermessungswesen an der Westfront von Oberstleutnant H. S. L. Winterbotham
das beachtenswerteste ist. 3 Merkwürdigerweise haben sich die Franzosen, die sonst
recht publikationsfreudig sind, mit Veröffentlichungen sehr zurückgehalten. Oder
ist es weniger merkwürdig als vielmehr beabsichtigt; denn in militärischen Dingen
wissen die Franzosen dichter als andere Völker zu halten. Um hier ein richtiges Bild
zu gewinnen, muß man schon selbst an der Front den Franzosen gegenüber gestanden
und gearbeitet haben, in Besitz von Beutekarten und Dienstanweisungen gekommen
sein. Nach dem Kriege gelangte ich durch Zufall Einblick in die Documents parle-
1 M. Eckert: Die Kartographie im Kriege. G. Z. 1920, >S. 273 — 286, 316—324; 1921, 8. 18—28.
Luftbildaufnahme und Kartenherstellung. G. Z. 1921. 8. 241—260. — Meine Erfahrungen als
Geograph im Kriegsvermessungs- und Kriegskarten wesen. Kartographische u. schulgeograph. Z.
Hg. von K. Peucker. Wien 1923, S. 7 —10, 39 — 41. — Anschließend möchte ich noch hinweisen
auf H. F riese: Üb. d. Bedeutung des Vermessungswesens im Kriege. Z. f. Verm. 1921, Heft 9. —
Instrumente und technische Ausführung werden besonders betont.
2 Die hauptsächlichsten Veröffentlichungen von 8. Boelcke sind: Kriegsvermessungen u.
ihre Lehren. Berlin 1920. — Fortschritte im Kartenwesen. In: Technik u. Wehrmacht. XXLY.
1921. 8.221 — 226. — Kriegserfahrungen im artilleristischen Vermessungs- und Kartenwesen, ln:
Der Schweizer Artillerist. II. Zürich 1923, 8.78 — 81, 87 — 90. — Das Kartenwesen. S. A. aus „Der
große Krieg“, hg. von M. Schwarte. Bd. 8. Die Organisationen der Kriegführung. I. Teil, 8. 443—474.
H. 8. L. Winterbotham: British Survey on the Western Front. Geogr. Journ. LIIL
London 1919, 8. 253—276. Wernckkc berichtet üb. „Das engl. Vermessungswesen im Kriege“
i. d. Z. f. Verm.-W. Stuttgart 1921. 8.87 — 90.