Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Die Kartenbearbeitung und Kartenneuaufnahme. 
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304. Das neue trigonometrische Net/. Die Unstimmigkeiten der Karte 1:80000 
und der Ruf der Artillerie nach einem brauchbaren Koordinatennetz (s. folgend. Ab 
schnitt) gaben bereits im Frühjahr 1915 Veranlassung, ein neues trigonometrisches 
Netz festzulegen. Dazu war es nötig, an den einzelnen großem Frontabschnitten neue 
Grundlinien zu legen. Während man im Frühjahr 1915 mit dem Stahlmeßband an 
die Arbeit ging, bediente man sich später einer Invardraht-Ausrüstung der preußischen 
Landesaufnahme, mit der man recht gute Resultate erzielte. 
Bei der Neuanschaffung des Triangulationsnetzes wurden die französischen und 
belgischen Dreieckspunkte 1. und 2. Ordnung, soweit vorhanden, in die Dreieck 
messung mit einbezogen. Da verschiedene Druckfehler in den französischen Koordi 
natenverzeichnissen („Positions geographiques et hauteurs absolutes des principaux 
points ... de la carte de France“) 1 festgestellt, auch manche Kirchtürme umgebaut 
worden waren, empfahl es sich, jeden aufgefundenen Punkt rechnerisch nachzuprüfen. 
Jene französischen Punkte, die in der Karte 1:80000 mit der bekannten trigono 
metrischen Signatur eingezeichnet sind, konnten bei der Erkundung mit Vorteil benutzt 
werden. 
Bei der Neutriangulierung wurde darauf geachtet, daß die durchschnittliche 
Entfernung von Nachbarpunkten im großen und ganzen 1,5 km nicht überschritt, 
da eine größere Punktzahl einen im allgemeinen nicht erreichbaren Aufwand an Zeit 
und Kraft erforderte. Der Maßstab der Aufnahme spielte dabei auch eine Rolle. Im 
Gebiet der Champagne und des Argonnerwaldes entfielen bei der Aufnahme in 1:25000 
durchschnittlich 1 trigonometrischer Punkt auf 2 qkm. Es waren einschließlich der 
bestimmten Kirchen etwa 45—50 Punkte auf einem Blatt von Meßtischblattgröße. 
In der direkten Kampfzone gab es einige Festpunkte mehr, 65 bis 70 auf einem Blatt, 
da die trigonometrischen Punkte auch nach erfolgter Neuaufnahme dort ständig ver 
mehrt wurden, wobei nicht etwa an Polygonpunkte zu denken ist. Bei der spätem 
Aufnahme in 1:10000 wurde angestrebt, daß durchschnittlich ein Punkt auf 1 qkm 
entfallen sollte. Die dichtere Festpunktbestimmung in der Kampfzone kam haupt 
sächlich der Aufstellung der Artillerie, den Licht- und Schallmeßtrupps zugute. 
Die Punkte der Hauptdreieckskette galten als Punkte I. Klasse. Das Wort 
,,Klasse“ statt „Oidnung“ wurde zuerst bei meiner Abteilung angewandt, weil man 
gewöhnt ist, mit dem Begriff der „Ordnung“ eine bestimmte Vorstellung von jlen 
Längen der Dreiecksseite zu verbinden; bei der I. Ordnung sind die Dreiecksseiten 
20 bis 50 km und darüber lang, bei der II. 10—20, der III. 3—10 und der IV. 1—3 km 
lang. Dreiecke der I. Klasse entsprechen hinsichtlich der Seitenlängen etwa denen 
der II. Ordnung der Landesaufnahme. Lagen die vorhandenen Hauptpunkte weit 
auseinander und war das Gelände hinreichend offen und übersichtlich, wurden Punkte 
II. und III. Klasse bestimmt. Bei der Auswahl der Punkte II. Klasse kam es, wie 
ich im ersten Band der Kartenwissenschaft bereits ausführte 1 2 , viel mehr auf Erzielung 
günstiger Schnitte an als bei den Punkten III. Klasse, weil ihre Fehler sich weiter 
fortpflanzen als diejenigen der III. Klasse. 
Auf die Herstellung eines guten Triangulationsnetzes wurde die größte Sorgfalt 
gelegt. Auch sonst haben die Erfahrungen des Kriegsvermessungswesens ergeben, daß 
1 Vgl. hierzu die Angaben Puissants, Bd. VI des „Memorial du depot de la guerre“ üb. d. 
Genauigkeit der Dreiecksschlüsse und Berthauts über die Sorgfalt der Messungen in „La carte de 
France.“ 
2 M. Eckert: Die Kartenwissenschaft, I, S. 256, 257.
	        
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