Das Koordinatennetz. (Das Gitternetz.)
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Großteil der Befehle und Vorkehrungen für Angriff und Verteidigung begründet war,
geändert worden wäre.
309. Das französische Koordinatensystem. Bezüglich der Anwendung der Koordi
natensysteme für die Kriegskarten möchte ich ganz besonders feststellen, daß vor
dem Kriege hüben wie drüben in keiner Weise etwas wegen dieser Systeme vorbereitet
worden war ; man hatte an die Aufgaben eines eventuellen Stellungskrieges gar nicht
gedacht. Der Gedanke an besondere Koordinatensysteme für die Kriegskarten hat sich
auf deutscher wie gegnerischer Seite fast gleichzeitig entwickelt und verwirklicht;
soweit ich das Kartenmaterial überblicke, waren deutsche Karten im Sommer 1915
mit dem neuen Netz an die Öffentlichkeit getreten, französische (und englische?)
Ende 1915 und englische 1916.
Ihre alten Koordinatensysteme, die an das Planmaterial der Festungen gebunden
waren, verwarfen die Franzosen, nachdem der Stellungskrieg eine längere Kriegs
führung zur Gewißheit machte. Das neue System, mit dem sie auf ihrem Kriegsschau
platz in westöstlicher Richtung auskamen, war nach den Grundsätzen des deutschen
Mathematikers J. H. Lambert aufgebaut, wie er sie in den winkeltreuen (ortho-
morphen) Projektionen niedergelegt hat (vgl. dessen Anmerkung und Zusätze zur
Entwertung der Land- und Himmelscharten, 1772, §47ff.). Von Lamberts Projektion
heißt es bei den Franzosen, daß „sie die Winkel beibehält bei nur geringer Veränderung
der Längen“. In dem Kampfgelände der Champagne (Tahure) war am 1. Sept. 1915 noch
der Plan directeur in 1:20000 in Gebrauch, dessen senkrechte Nullkoordinate bei
Reims und dessen wagerechte in 45° n. Br. lag. Ende des Jahres erschien eine neue
Karte in 1:20000 mit dem „Quadrillage kilométrique système Lambert“. Auf dem
Blatte Tahure heißt es: „Quadrillage système Lambert a mettre en service à la 2 e armée
à la date du 20 Décembre 1915. A partir de cette date toutes les désignations d’objectifs
effectuées à l’aide des coordonnées devront se rapporter au quadrillage Lambert, en
place du quadrillage 2 e Fuseau anciennement employé.“ Die anschließenden franzö
sischen Blätter wurden in gleicher Weise bearbeitet. Damit hatten die Franzosen
ein bedeutendes Werk vollbracht; denn die Situation war völlig neu zu bearbeiten
und zu stechen. Von dem alten Plan directeur war wenig übriggeblieben; nur die
Höhenkurven, die stückweise in die neuen Karten — nicht immer mit großem Geschick !
— eingepaßt wurden, waren von den alten Druckplatten entnommen. Wege, Wälder
und Ortschaften waren vollständig neu bearbeitet worden. Die neu geschaffenen
topographischen Sektionen hatten es vor allem mit dem Ausbau der neuen Karte
zu tun. 1
Auf der Neubearbeitung sehen wir zum ersten Male die Darstellung von Ivo-
ordinatennord und Magnetisch-Nord, desgl. in besonderer Zeichnung von Koordinaten
nord und Geographisch-Nord, wobei wir auf dem Blatt Tahure die interessante Tat
sache feststellen, daß Geographisch-Nord um 2°6' nach O ausschlägt. Nach der der
französischen Karte in 1:80000 zugrunde liegenden Projektion müßte der Ausschlag
westlich erfolgen. Das gab mir schon während des Krieges einen weitern Anhalt für
die Annahme, daß die Franzosen für ihr Kriegsgebiet die Projektion von Bonne ver
lassen und ein völlig neues Netz angenommen haben mußten. Auf dieses Netz waren
1 Grand Quartier Général des Armées. Instruction sur l’organisation et le fonctionnement des
sections topographiques de corps d'armée. (S. F. C. A.) Au G. Q. G. le 25 décembre 1915. Paris.
Unterzeichnet von Joffre.