Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die Kviegskartographie. 
Auf der gleichen Karte wurden die feindlichen Hauptverteidigungslinien veranschau 
licht, wie die Stellung der feindlichen Flacks (Fliegerabwehrkanonen) und Ballons. 
Außerdem mußte darauf das Wegenetz sorgfältig kurrent gehalten werden. Es war 
fabelhaft, welche Gleisstrecken im Laufe einer Woche gebaut wurden, insbesondere 
leisteten die Franzosen in den auf der Karte wie „Klauen“ sich repräsentierenden 
Gleisanlagen für ihre Eisenbahngeschütze ganz Erstaunliches. So gewährte die 
Lagenkarte von Woche zu Woche ein anderes Bild. Je nach der Kriegslage wurden 
die Lagenkarten monatlich, wöchentlich, halbwöchentlich oder täglich herausgegeben, 
nicht handschriftlich sondern gedruckt ! Natürlich waren diese Karten streng geheim, 
wie überhaupt sämtliche Karten, die eigene wichtige Verteidigungsanlagen enthielten. 
Die bevorzugtesten Stellungskarten, die weit bis zu den niedersten Kommando- 
steilen Verbreitung fanden, waren die in 1:25000 und 1:10000. Sie zeigten das 
eigene wie das feindliche Grabensystem, auf feindlicher Seite zudem die erkundeten 
Drahthindernisse. Auf geheimen Karten waren die eigenen Drahtverhaue ein 
getragen, zuweilen auch Unterstände, Minenwerfer, Maschinengew^ehrstände, Be 
obachtungsstände, Handgranaten-, Munitions-, Pionierdepots. Früher hielten beide 
kriegführende Parteien streng darauf, daß auf den Karten, die die Truppe bis in 
den vordersten Sappenkopf benutzte, nur die feindlichen Gräben eingedruckt waren 
und ja nicht die eigenen. Später war man nicht mehr so ängstlich — der Engländer 
blieb es zwar immer noch — und brachte auf den Karten auch das eigene Graben 
system, da es der Feind durch Gefangenenaussagen und jFliegeraufnahmen doch 
genugsam erkundet und fast immer einwundfrei in seine Karten eingedruckt hatte. 
Sogar die verfallenen, nicht mehr benutzbaren Gräben wurden kenntlich gemacht. 
Die Karte über den Fortschritt des Ausbaues der eigenen rückwärtigen Stellungen, 
die für den General der Pioniere ausgearbeitet wurde, war streng geheim und nur 
in kleiner Anzahl gedruckt. 
Eine große Schwierigkeit war es, sich nicht bloß im feindlichen sondern selbst 
im eigenen Grabensystem zurecht zu finden. Die ersten Versuche, Ordnung in den 
Gräben auf der Karte zu schaffen, gehen auf die Franzosen zurück. In der Herbst 
schlacht in der Champagne 1915 wiesen ihre Gräben auf dm erbeuteten Karten ein 
besonderes Zahlensystem auf, über dessen Sinn und Aufbau man an verschiedenen 
Stellen hin und her sann. Bald gelang es mir, das System völlig aufzuklären. Die 
kleine Abhandlung hierüber mit Skizzen wurde bei allen Armeen verbreitet, und 
ein 1917 am Chemin des Dames erbeilteter französischer Schlüssel dieses Systems 
bestätigte meine Erklärung voll und ganz. Da das System mit gewissen Abkürzungen 
dem geheimen Nachrichtendienst (Telephon- und Telegraphendienst) der Gegner 
diente, konstruierte ich daraufhin die sogenannten Warnungskarten, auf denen 
das eigene, blau festgelegte Grabensystem durch das gleiche Grabensystem und die 
Batteriestellungen, wie beides vom Feinde erkundet worden w r ar, mit der vom Feinde 
gegebenen Bezifferung grün überdruckt wurde. Auf diese Weise war es möglich, 
beim Abhorchen der feindlichen Befehle zum Beschießen deutscher Batterien und 
Grabenanlagen diese rechtzeitig zu warnen. Später erfand der Feind ein anderes 
System für seine Nachrichtenübermittlung. Für die Gräben führte er gleichfalls 
eine andere vereinfachtere Bezeichnung ein. 
Auf deutscher Seite waren verschiedene Bezeichnungssysteme für Gräben, 
Batterien usw. üblich. Das erste derartige System hatte ich in unserm Armeebereich 
durchgeführt; es war auf geographischer Grundlage aufgebaut, insofern es durch Täler
	        
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