Die Kriegskarten.
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Flüsse oder wichtige Straßenzüge wieder in Unterabschnitte zerfiel. Ende 1917 wurde
auf Befehl des Kriegsvermessungschefs bzw. der O.H.L. (Obersten Heeresleitung) eine
Bezifferung eingeführt, die sich streng an das Koordinatensystem anlehnte. Was
auf eigener Seite blau erschien, wurde auf gegnerischer Seite rot bezeichnet und
umgekehrt. Neben den Zahlen gebrauchte man auch Namen zur Bezeichnung starker
Yerteidigungswerke und langer, gut gebauter Gräben. Bei uns wurden die Namen
in der Regel nur für eigene Anlagen gebraucht, bei den Engländern und Franzosen
hauptsächlich für die deutschen. „Tranchée-des Homo-Sexuels“, ,,Boyau du Harem“,
,,Boyau des Eunuques“, diese kleine Blütenlese französischer Bezeichnungen für
deutsche Grabenstücke im N von Souain ist gewiß ein beredtes Zeugnis für die hohe
französische Kultur.
Während die Stellungskarten, die nicht geheim waren, lediglich die deutschen
Infanterieanlagen brachten, soweit sie im Fliegerbild erkennbar waren, legten sie
um so mehr Gewicht darauf, neben den feindlichen Grabenanlagen und Drahtver
hauen auch die Lager zu verzeichnen, die Aufstellungsorte von Feldküchen, neu
angelegte Wege, Verkehrszentren, Förderbahnen, Masken, Flackzüge, Batterien,
Maschinengewehrstände, Revolverkanonen, Beobachtungsstände, Abhorch- und Tele
phonzentralen.
319. Besondere Kriegskarten. Die Stellungskarten waren in der Hauptsache
für die Infanterie bestimmt, wenn sie auch vielen andern Zwecken dienten. In
diesem Falle erforderten sie immer eine besondere Bearbeitung, bedingt durch den
Zweck, vor allem jedoch die verschiedenen Waffen. Eine Karte, die besondern Zwecken
diente, war z. B. die Sichtkarte, die für Erd- und Ballonbeobachtung vom Gegner
die toten Räume durch Schraffen oder Farbe andeutete. Ich habe sie schon an anderer
Stelle eingehender berücksichtigt (S. 331ff.). Neben der Infanterie gebrauchte vorzugs
weise die Artillerie ein reiches, vielseitig bearbeitetes Kartenmaterial.
Die Stellung der eigenen Batterien wurde auf verschiedenen Geheimkarten
zum Abdruck gebracht. Bei der Vermehrung der Artillerie und dem Schießen nach
nicht sichtbaren, sondern errechneten oder aus der Karte abgegriffenen Zielen konnten
die Artilleristen ohne die Vermessungstruppe nicht mehr auskommen, so daß schon
daran gedacht wurde, die Vermessungstruppe der Artillerie ganz unterzustellen, was
ich nicht für opportun halte, da die Artillerie ihre Stellung schneller wechselt als
eine ortskundige Vermessungstruppe; dagegen müssen die weittragenden, insbeson
dere die Eisenbahngeschütze ihren eigenen Artillerietrigonometer haben. Für die
Batterien gab es dauernd zu tun, ihre Stellungen (nebst Wechselstellungen) mußten
im Gelände wie auf der Karte festliegen.
- Für die Artillerie wurden ferner Punktkarten hergestellt, die die vermessenen
Punkte nach Anzahl, Lage und Qualität veranschaulichten. Dazu mußten für ver
schiedene artilleristische Vorbereitungen, wie bei Feuerüberfällen, Feuerwalzen,
eigene Karten konstruiert werden. Andere geheime Karten zeigten die Munitions
depots an.
Die von den Minenwerfern meist selbst hergestellten Pläne waren im Maß
stab 1:2500 gehalten und umfaßten bei der geringen Wurfentfernung nur ein be
grenztes Gebiet. Bei diesen Plänen kam es lediglich darauf an, die Minenwerfer, ihre
Beobachtungsstellung, Beobachtungsnull- und Hilfspunkte in richtige Beziehung
zu bringen. Aufgabe des Trigonometers war es, den Minenwerfern die zum Bestimmen