Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Die Kriegskarten. 
793 
Flüsse oder wichtige Straßenzüge wieder in Unterabschnitte zerfiel. Ende 1917 wurde 
auf Befehl des Kriegsvermessungschefs bzw. der O.H.L. (Obersten Heeresleitung) eine 
Bezifferung eingeführt, die sich streng an das Koordinatensystem anlehnte. Was 
auf eigener Seite blau erschien, wurde auf gegnerischer Seite rot bezeichnet und 
umgekehrt. Neben den Zahlen gebrauchte man auch Namen zur Bezeichnung starker 
Yerteidigungswerke und langer, gut gebauter Gräben. Bei uns wurden die Namen 
in der Regel nur für eigene Anlagen gebraucht, bei den Engländern und Franzosen 
hauptsächlich für die deutschen. „Tranchée-des Homo-Sexuels“, ,,Boyau du Harem“, 
,,Boyau des Eunuques“, diese kleine Blütenlese französischer Bezeichnungen für 
deutsche Grabenstücke im N von Souain ist gewiß ein beredtes Zeugnis für die hohe 
französische Kultur. 
Während die Stellungskarten, die nicht geheim waren, lediglich die deutschen 
Infanterieanlagen brachten, soweit sie im Fliegerbild erkennbar waren, legten sie 
um so mehr Gewicht darauf, neben den feindlichen Grabenanlagen und Drahtver 
hauen auch die Lager zu verzeichnen, die Aufstellungsorte von Feldküchen, neu 
angelegte Wege, Verkehrszentren, Förderbahnen, Masken, Flackzüge, Batterien, 
Maschinengewehrstände, Revolverkanonen, Beobachtungsstände, Abhorch- und Tele 
phonzentralen. 
319. Besondere Kriegskarten. Die Stellungskarten waren in der Hauptsache 
für die Infanterie bestimmt, wenn sie auch vielen andern Zwecken dienten. In 
diesem Falle erforderten sie immer eine besondere Bearbeitung, bedingt durch den 
Zweck, vor allem jedoch die verschiedenen Waffen. Eine Karte, die besondern Zwecken 
diente, war z. B. die Sichtkarte, die für Erd- und Ballonbeobachtung vom Gegner 
die toten Räume durch Schraffen oder Farbe andeutete. Ich habe sie schon an anderer 
Stelle eingehender berücksichtigt (S. 331ff.). Neben der Infanterie gebrauchte vorzugs 
weise die Artillerie ein reiches, vielseitig bearbeitetes Kartenmaterial. 
Die Stellung der eigenen Batterien wurde auf verschiedenen Geheimkarten 
zum Abdruck gebracht. Bei der Vermehrung der Artillerie und dem Schießen nach 
nicht sichtbaren, sondern errechneten oder aus der Karte abgegriffenen Zielen konnten 
die Artilleristen ohne die Vermessungstruppe nicht mehr auskommen, so daß schon 
daran gedacht wurde, die Vermessungstruppe der Artillerie ganz unterzustellen, was 
ich nicht für opportun halte, da die Artillerie ihre Stellung schneller wechselt als 
eine ortskundige Vermessungstruppe; dagegen müssen die weittragenden, insbeson 
dere die Eisenbahngeschütze ihren eigenen Artillerietrigonometer haben. Für die 
Batterien gab es dauernd zu tun, ihre Stellungen (nebst Wechselstellungen) mußten 
im Gelände wie auf der Karte festliegen. 
- Für die Artillerie wurden ferner Punktkarten hergestellt, die die vermessenen 
Punkte nach Anzahl, Lage und Qualität veranschaulichten. Dazu mußten für ver 
schiedene artilleristische Vorbereitungen, wie bei Feuerüberfällen, Feuerwalzen, 
eigene Karten konstruiert werden. Andere geheime Karten zeigten die Munitions 
depots an. 
Die von den Minenwerfern meist selbst hergestellten Pläne waren im Maß 
stab 1:2500 gehalten und umfaßten bei der geringen Wurfentfernung nur ein be 
grenztes Gebiet. Bei diesen Plänen kam es lediglich darauf an, die Minenwerfer, ihre 
Beobachtungsstellung, Beobachtungsnull- und Hilfspunkte in richtige Beziehung 
zu bringen. Aufgabe des Trigonometers war es, den Minenwerfern die zum Bestimmen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.