Die Soekartenprojektionen.
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,,Karte mit wachsenden Breiten“ 1 oder „vergrößerten Breiten“ 1 2 , nur muß man wissen,
wie das „réduite“ zu verstehen ist. Schon ältere Kosmographen und Nautiker klären
darüber auf, wie Riccioli 3 , Röhl. 4 Bei der auf der Mercatorkarte abgesteckten Route
müssen die Breiten, um das richtige Maß in Äquatorgraden hzw. Seemeilen zu er
halten, „reduziert“ werden. In deutschen nautischen Kreisen begegnen wir außerdem
noch der Bezeichnung „runde“ Karte, im Gegensatz zu der „platten“ Karte; rund
genannt, weil Mercators Gradnetz die Rundung der Erdoberfläche berücksichtigt.
Von projektionstechnischem Standpunkt aus bezeichnen wir die Mercatorprojektion
als eine winkeltreue Zylinderprojektion.
Die berühmte Karte von Gerhard Mercator erschien im August 1569 in
Duisburg unter dem Titel: Nova et aucta orbis terrae descriptio ad usum navigantium
emendate accomodata (Neue und vergrößerte Erdkarte, zum Gebrauche für Seefahrer
verbessert und eingerichtet). Von der Karte sind bis jetzt vier Originaldrucke bekannt
geworden, deren ältester der des Berliner Orientalisten J. Klaproth ist und sich seit
der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Nationalbibliothek zu Paris befindet. Einen
andern, besser erhaltenen Originaldruck zugleich mit Mercators Europakarte fand
A. Heyer 1889 in der Stadtbibliothek zu Breslau. Zehn Jahre später, 1899, fand
L. Korth ein Exemplar in der Bibliothek des Grafen Mirbach auf Schloß Harff an
der Erft. 5 Im gleichen Jahre entdeckte G. Marcel in der Universitätsbibliothek zu
Basel den vierten Originaldruck. 6 Von der Pariser Karte wurde durch E. Er. Jomard
eine Reproduktion in Originalgröße 1862 veröffentlicht. Das Breslauer Original
wurde 1891 von der Gesellschaft der Erdkunde zu Berlin, unter den Auspizien
F. v. Richthofens, in Lichtdruck herausgegeben.
Das Wesen der Mercatorkarte besteht darin, daß die Breitengrade nach dem
Pole zu allmählich in demselben Verhältnis vergrößert werden wie die Parallelkreise
in ihrem Verhältnis zum Äquator zunehmen, oder wie Mercator selbst schreibt:
„. . . gradus latitudinum versus utrumque polum paulatim auximus pro incremento
parallelorum supra rationem, quam habent ad aequinoctialem.“ Zweifellos geht
aus diesen Worten hervor, daß er von dem mathematischen Prinzip des Aufbaues der
Mercatorprojektion eine richtige Vorstellung gehabt hat. Nirgends hat er uns Auf
zeichnungen hinterlassen, die bezeugten, wie er zum Aufbau der Karte gekommen
ist, ob er irgendwelche mathematische Tafeln (Sekantentafeln) benutzt hat. Darum
liegt der Schluß nahe, daß er auf graphischem Wege sein Kartennetz konstruiert hat.
Die Breite eines Ortes sei cp. Die Länge des Parallels, der durch den Ort geht,
ist gleich der Länge des Äquators, multipliziert mit cos cp. Bei der Annahme gleicher
Größen von Äquator und Parallel, wird dieser durch cos cp dividiert, oder, was das
selbe ist, mit sec -cp multipliziert. Wenn nun der Breitengrad, d. h. der Bogen auf
dem Meridian zwischen zwei Parallelen, in dem gleichen Verhältnis vergrößert werden
soll, muß er gleichfalls mit sec -cp multipliziert werden. Will man die genaue ver
1 J. B. Riccioli, a. a. O., S. 478: „Quas Chartas Belgaep) vocant Wassende Graden Pas
Caërten.“ Riccioli spricht daselbst auch eingehender von den „chartae reductae“, S. 477.
2 Das ist der Ausdruck der deutschen Seeleute. Auch E. Hammer gibt ihm den Vorzug;
vgl. Hammer-Tissot: Die Netzentwürfe geographischer Karten. Stuttgart 1887, S. 89, Anm. 2.
3 J. B. Riccioli, a. a. O., S. 477, 478.
4 L. H. Röhl, a. a. O., S. 214.
5 Leonh. Korth hat es kurz beschrieben in d. Frankfurter Zeitung, 21. Juni 1902, Nr. 170. S. 1.
0 Gabriel Marcel: Note sur une mission géographique en Suisse, im Bull. Soc. de géogr.
Paris VII, sér. XX, 1899, S. 85.
Eckert, Karten Wissenschaft, H.
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