Einleitung.
1. Kurzer Abriß der Geschichte des Vermessungswesens.
Noch heute weist eine Reihe verstreuter Spuren darauf hin, daß sich
die Geometrie früher eines ganz besonderen Ansehens erfreut und als die
vornehmste Wissenschaft des Menschen gegolten hat. In den Überlieferungen
der alten Bau- und Steinmetzhütten, die sich nach und nach meistens zu den
humanitären Vereinigungen der Rogen umgebildet haben, spielt die Geometrie
eine herrschende Rolle. Sie heißt dort jetzt noch der Inbegriff der exakten
Wissenschaften und gilt in ihrer praktischen Anwendung als die höchste
Kunst. Ihre allgemein bekannten Grundbegriffe dienen als Symbole für die,
edelsten Eigenschaften höchster menschlicher Vollkommenheit.
Während so die Geometrie in der Stille noch besondere Ehren genießt-
ist sie in der Öffentlichkeit in den Hintergrund getreten. Sie ist in der Wissen,
Schaft zu einem „Elementarfach“ hinabgesunken und deshalb in einer Zeiit
wo die Äußerlichkeit herrscht, auch bei ihren eigenen Jüngern in Mißkredt
geraten, derart, daß an ihre Stelle die gelehrte „Geodäsie“ getreten ist.
Wendet man diese moderne Bezeichnung nicht nur auf die höchsten Dis
ziplinen der Erdmessung an, sondern läßt sie auch für die einfacheren Hand
habungen des Eeldmessens gelten, so sind die neuzeitliche Geodäsie und die
alte Geometrie ein und dasselbe. Daß sie es sein müssen, wird ein kurzer Rück
blick auf die geschichtliche Entwicklung der Feld-, Rand- und Erdmessung
oder kurz des Vermessungswesens beweisen.
a) Das Altertum.
Die Altertumsforschung hat festgestellt, daß sowohl die alten Assyrer
und Babylonier wie die Ägypter besondere Feldmesser gekannt haben,
was ja bei dem hohen Kulturstande jener Völker und bei ihrer ausgezeichneten
Randwirtschaft ebenso wie bei der riesigen Ausdehnung ihrer Städte als selbst
verständlich erscheinen muß. Aber mit der Technik dieser alten Feldmesser
scheint es nur schwach bestellt gewesen zu sein, sofern man aus dem Wenigen,
was über sie zu uns gedrungen ist, Schlüsse auf ihre geodätische Reistungs-
fähigkeit ziehen will. Dazu ist man aber um so weniger berechtigt, als die
neuere Forschung immer mehr zu dem Ergebnis gelangt, daß in Babylonien
die Heimat der Astronomie, die Rehrmeisterin des klassischen Altertums in
bezug auf das Kalenderwesen und die Begründerin unseres Zahlen-, Maß-
und Gewichtssystemes zu suchen ist (Weule, „Die Erforschung der Erd
oberfläche“ in „Weltall und Menschheit“ Bd. III). Sowohl Eiffler in „Das
Vermessungswesen in Assyrien und Babylonien“ (Straßburg 1898) wie Eisen-
Abendroth, Vermessungsingenieur. 2. Aufl. 1