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Einleitung-,
Während die räumliche Vorstellung der alten Ägypter und Babylonier
oder doch wenigstens ihre Kartographie der Erde noch eine äußerst naive
war, worin die heiligen Ströme, durch die ihre Bänder Beben und Nahrung
erhielten, die Beitlinien bestimmten, hatten sich die Griechen und darunter
in erster Binie Aristoteles (384—322 v. Chr.), beeinflußt durch die Über
lieferungen von den großen Seereisen der Phönizier und Karthager, sehr ein
gehend mit der Erdgestalt beschäftigt (Aristoteles „Tzepl oupavoü“) und waren
eben durch Aristoteles zu dem Schluß gekommen, daß die Erde notwendig
eine Kugel sei. Die griechische Wissenschaft hatte bezeichnenderweise ihren
Hauptsitz in Alexandria an der Nilmündung. Dort wirkten nacheinander
die großen Geometer Heron von Alexandrien (284—221 v. Chr.), Era-
tosthenes (275—194 v. Chr.) und Claudius Ptolemäus (um 130 n. Chr.),
von denen der erste für seine Zeit und für die Dauer von fast 2000 Jahren
(bis zur Neuzeit) das beste Eehrbuch über praktische Geometrie
(„Ttspl SioTTTpag“) geschrieben hat, der zweite die erste Gradmessung zur
Bestimmung des Erdumfanges zwischen Alexandria und Syene (am Nil in
Oberägypten) ausgeführt und der dritte endlich die besten, noch heute gültigen,
Kartenprojektionen erfunden hat.
Heron beseitigte die alten überlieferten Näherungsformeln und setzte an
ihre Stelle strenge; er verbesserte das Diopter und legte dadurch den Grund
stein zu dem späteren Astrolabium und Theodoliten. In seinem schon ge
nannten Werk „Über das Diopter“ stellte er 33 Aufgaben auf und brachte
ihre Bösungen, die das A und O aller Eeldmeßkunst bis zur Neuzeit aus
machen. Auch unterwies Heron im Gebrauch der Signalstangen (mit Ziel
scheiben), der Kreuzscheibe (des „Sternes“), der Kanalwage, des Distanz
messers und erfand die Berechnung des Dreieckinhaltes aus den 3 Seiten
A — V s (s—a) (s—b) (s—c). Ihm verdankten die berühmten römischen
Agrimensoren, deren Kunst später über Frankreich nach Deutschland kam,
ihre ganzen Kenntnisse, derart, daß Jordan in Z. f. V. 1876, S. 122, von
ihnen sagt: „Die Römer mögen in der Eeldmeßkunst einige praktische
Neuerungen eingeführt haben, in der Feldmeßwissenschaft haben sie nur
abgeschrieben.“
Eratosthenes beobachtete unter der Annahme, daß Alexandria und
Syene unter dem gleichen Meridian lägen (was bei weitem nicht zutrifft), zur
Zeit des Sommersolstitiums die mittägliche Zenitdistanz und fand, daß diese
in Alexandria 7° 12' beträgt, während sie in Syene zur gleichen Zeit gleich
Null ist, d. h. die Sonne im Zenit steht. Er nahm die zwischen beiden Orten
auf 5000 Stadien geschätzte Entfernung deshalb = 7° 12' oder gleich dem
50. Teil des Erdumfanges an und berechnete damit den letzteren auf
250000 Stadien, also, da 1 Stadie = 185,18 m ist, den Erdquadranten auf
11573 750 m, während er nach neuester Messung fast genau 10000000 m
lang ist.
Die Sonne nahm Eratosthenes 27mal größer als die Erde, ihre Erd
entfernung auf 408 Myriaden-Stadien und die Erdentfernung des Mondes auf
/8 Myriaden an und berechnete die Schiefe der Ekliptik, sowie daraus die
Eage der Wendekreise (Solstitien) auf ca. 15 Min. genau. Erst 200 Jahre