Full text: Einleitung, Landesvermessung, Kataster (1. Band)

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Einleitung-, 
geben ein genaues Bild von der Tätigkeit und Bedeutung der Agrimensoren, 
die bis zur Neuzeit als die Vorbilder der Vermessungsingenieure gedient 
haben. 
Die wesentlichste und lange Zeit alleinige theoretische Unterlage ihrer 
Arbeiten besaßen die Agrimensoren in Herons ,,mpi SiortTpac“. Eine all 
gemeine Bandesvermessung mit grundlegender Triangulation, ja sogar die 
Kenntnis des Koordinaten rech ne ns war den Römern durchaus fremd. Alle 
ihre Aufnahmen waren rein örtlicher Art und bauten sich ausschließlich auf 
rechtwinklige Koordinaten auf, derart, daß durch die aufzunehmende oder zu 
teilende Feldmark zuerst mit Hilfe des Gnomon eine Nordsüdachse (der cardo = 
Pol oder Weltachse) und, möglichst in ihrer Mitte, genau rechtwinklig da 
zu die Ostwestlinie oder der decumanus gelegt, und das Band durch Parallele 
zu beiden Bmien, also durch Quadrate oder Rechtecke, aufgeteilt wurde. Die 
unregelmäßigen Umringsgrenzen der so geteilten Fläche wurden von den Ver 
bindungslinien geeignet gelegener Eckpunkte des Rechtecknetzes aus, also 
von polygonal angeordneten Hypotenusen, deren Koordinaten unmittelbar 
gegeben waren, rechtwinklig aufgemessen. 
Eines besonderen Schutzes erfreuten sich die Grenzen, sowohl die 
Hoheits- wie die Eigentumsgrenzen, deren Feststellung und Vermarkung unter 
besonderen religiösen Gebräuchen und Festlichkeiten geschah, und auf deren 
Verletzung durch Verschiebung oder Beseitigung der Grenzsteine schwere 
Strafen, ja sogar der Tod standen. Die Grenzmale waren geheiligt und dem 
Jupiter terminalis (Grenzgott) geweiht. Als Grenzmale dienten entweder 
Bäume (verschonte, d. h. stehengelassene, gezeichnete oder außergewöhnliche 
Bäume), Einfriedigungen (lebendige Hecken, Zäune, Wälle und Gräben, Erd-, 
Backstein- oder Feldsteinhaufen), vereinzelt auch Wege, in steinarmen Gegen 
den Pfähle und endlich Steine, die sich möglichst von den in der Feldmark 
von Natur aus vorkommenden Steinen unterscheiden mußten. Hoheitsgrenz 
steine wurden durch Säulen, sonstige Ecksteine durch besonders große Steine 
gebildet, alle Steine, je nach Bedeutung, mit Inschriften, offenen und geheimen 
Zeichen besonders versehen. 
Auf die vielgestaltigen Gebräuche bei der Teilung größerer Feldmarken 
oder bei der Neuanlage von Kolonien kann hier nicht eingegangen werden. 
Die Agrimensoren dienten bei allen diesen Geschäften in drei Eigenschaften: 
als Notare, Rentamtmänner und Geometer, und mußten alle darauf bezüglichen 
Kenntnisse durch eine Staatsprüfung nachweisen. Ihre wichtigsten Instrumente 
waren außer dem Gnomon die Stella oder Groma (Kreuzscheibe), ein 
doppeltes Diopterlineal mit zwei rechtwinklig sich schneidenden Armen, an 
deren Enden die Himmelsgegenden bezeichnet waren, Fluchtstäbe und 
Meßruten. 
Das römische Staatsmaß war ursprünglich ein Dezimalsystem, wurde 
aber schon unter Servius zum Duodezimalsystem. Die Flächeneinheit (pertica) 
war ein Quadrat von 12 zehnfüßigen Ruten. Der römische Normalfuß (pes 
monetalis) hatte 16 Zoll. 2 perticae oder 288 scriptula (Quadratruten) bildeten 
das jugerum oder den „Morgen", der als Staatsmaß vor Gericht und im 
Bager diente.
	        
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