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II. Teil. Das Kataster.
Landesaufnahme, wenn auch in erweiterter (Schreiber’scher) Gestalt, auf der
Basis der Bessel’sehen Elemente für die Neutriangulierung Preußens und
von der Mecklenburgischen Landesvermessung angewandt.
Man schreibt — wie schon früher erwähnt — in der geographischen Wissen
schaft dem Franzosen Tissot das Verdienst zu, in seiner Schrift „Mémoire
sur la représentation des surfaces et les projections des cartes géographiques.
Paris 1881“ zuerst eine vollständige, auf eine neue Art der Analyse begründete
Untersuchung der bei den Abbildungen hervorgebrachten Verzerrungen vorge
nommen und festgestellt zu haben, daß die Lambert’sehen Projektionen die
besten seien, worauf auch die Gauß’sche sich stützt.
Für Deutschland, insonderheit für Preußen, war diese Frage aber schon
lange vorher entschieden; dennoch entbrannte im Jahre 1896 unter den land
messerischen Fachleuten ein heftiger Streit um die Vorzüge der Soldner’-
sehen Koordinatenmethode gegenüber der Gauß’sehen und umgekehrt, da
von der in Teil I behandelten Abbildungsart der Preußischen Landesaufnahme
bis dahin wenig in die Öffentlichkeit gedrungen, und nur die Soldner’sche in
weiteren Kreisen bekannt war. Dieser hauptsächlich in der „Zeitschrift für
Vermessungswesen“ ausgefochtene Kampf endete damit, daß die Gauß’sche
konforme (winkeltreue) Projektion als Siegerin hervorging, zumal auch die
Vertreter Süddeutschlands ihre Soldner’sche („flächentreu“ genannte) Pro
jektion — abgesehen von entgegenstehenden verwaltungstechnischen Gründen —
gern zugunsten der Gauß’schen aufzugeben sich bereit erklärten, fand aber
erst ein Jahr später (1897) eine gewisse Erledigung durch die Veröffentlichung
der trigonometrischen Abteilung der Landesaufnahme „Die konforme
Doppelprojektion der trigonometr. Abteilung der Königl. Preuß.
Landesaufnahme. Formeln und Tafeln. Von Dr. O. Schreiber, General
leutnant z. D„ ehemaligem Chef der Königl. Preuß. Landesaufnahme. (Berlin
1897. Selbstverlag der Landesaufnahme.)“; allerdings nur für diejenigen, die
in größeren geodätischen Messungen und Berechnungen hinlänglich geübt und
interessiert waren, um die Vorteile der konformen Doppelprojektion gegenüber
der Soldner’sehen auf weite Ausdehnungen hin aus diesen amtlichen Ver
öffentlichungen ohne weiteres ersehen zu können.
Diese Vorzüge seien kurz hervorgehoben. Sowohl die Gauß’sche wie die
Soldner’sche Projektion gestatten die unmittelbare Auftragung der
einzelnen Punkte nach rechtwinkligen Koordinaten in der Ebene
und die Benutzung aller aus den Koordinaten abgeleiteten Größen
ohne weitere Verbesserungen, wie es für die Kleinmessung und auch
schon für die Triangulierung III. und IV. Ordnung bei Punktentfernungen bis
zu 10 km notwendig ist. Während aber die Gauß’schen rechtwinkligen
Koordinaten eben sind, können die Soldner’sehen nur bis zu einer gewissen
Grenze als eben angesprochen werden, weil sie in Wirklichkeit sphärisch sind.
Die durch Nichtbeachtung der Verbesserungen entstehenden Ungenauig-
keiten sind bei beiden Abbildungen unter gewissen Voraussetzungen praktisch
ohne Einfluß, da sie in der Regel nicht größer sind als die unvermeidlichen
Messungsfehler. Das geht aus folgendem hervor.
Beiden Projektionen haften gewisse Längenverzerrungen an, die durch