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Befindet sich ein leuchtender Gegenstand so nahe vor einer
Convexlinse, dass seine Entfernung kleiner ist als die Brennweite,
so sammeln sich, wie Theorie und Erfahrung lehren, die Licht
strahlen hinter der Linse nicht, sondern gehen in Richtungen aus
einander, die sich nach ihrer Verlängerung vor der Linse schneiden
und dort ein geometrisches Bild des Gegenstandes darstellen, welches
grösser ist als dieser. Aus diesem Grunde heissen die convexen
Linsen auch Vergrösserungsgläser. Man kann die Linsen so
einrichten, dass sie stark oder schwach vergrössern. Eine stark
vergrössernde nennt man einfaches Mikroskop, eine Linse von
geringer Vergrösserung aber Lupe (frz. Loupe). Die Theorie der
Lupen stimmt mit jener der Convexlinsen überein; wir theilen daher
nachfolgend das Wesentlichste über Convexlinsen mit.
§. 44.
Optischer Mittelpunkt.
Ausser den geometrischen Mittelpunkten ist noch ein anderer
Punkt der Linsenaxe von Bedeutung, nämlich der optische Mit
telpunkt. Man versteht darunter denjenigen Axenpunkt, welcher
die ausgezeichnete Eigenschaft besitzt, dass alle durch ihn gehen
den Lichtstrahlen ihre Richtung nicht verändern, wie dieses auch
bei Parallelgläsern der Fall ist. Alle durch den optischen Mittel
punkt einer Linse gehenden Lichtstrahlen heissen Hauptstrahlen.
Es ist wichtig, die Lage dieses Mittelpunkts zu kennen, weil man
durch seine Verbindung mit dem leuchtenden Punkte sofort einen
Hauptstrahl oder die Richtung erhält, in welcher nothwendig der
Bildpunkt liegen muss, indem jeder Strahl das Bild des Punkts in
sich trägt, von dem er kommt; auch erscheinen von dem optischen
Mittelpunkte aus Gegenstand und Bild unter einerlei Sehwinkel.
Um die Lage des optischen Mittelpunkts einer ungleichseitigen
biconvexen Glaslinse zu finden, sehe man in der nachfolgenden
Figur AB als die Axe, CD als den Querschnitt der Linse an, und
betrachte einen beliebigen Strahl ab, der in irgend einem Punkte b
der Linse unter dem unbestimmten Winkel e gegen das Loth ob
einfällt. Soll der Strahl ab, nachdem er durch die Linse gegangen
ist, in einer mit ab parallelen Richtung b t aj austreten, so muss
er nothwendig mit dem Lothe Cjbj, das cb parallel ist, wieder den
Winkel e bilden, d. h. er muss von b nach einem Punkte b, gehen,