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Kartenzeichnung.
§. 390.
Als Grund, wesshalb die Karten keine geometrisch-treuen Ab
bildungen der darzustellenden Theile der Erdoberfläche seyn können,
ist schon in der Einleitung die Unmöglichkeit, eine Kugelfläche und
das von ihr getragene Bild in eine Ebene abzuwickeln, bezeichnet
worden. Kann aber die Aehnlichkeit der natürlichen und abgebil
deten Formen nicht vollständig erreicht werden, so besteht jedenfalls
für die Lehre von der Kartenzeichnung die Aufgabe, die Hilfsmittel
anzugeben, durch welche die Abbildung der Erdoberfläche oder
einzelner Theile derselben entweder mit der grössten Uebersichtlich-
keit oder mit der kleinsten Abweichung von der Wahrheit geschehen
kann.
Die Hilfsmittel, deren man sich zum Entwerfen von Karten
bedient, sind zunächst gewisse Systeme von Linien, welche die auf
der Erdoberfläche vorhanden gedachten Meridiane und Parallelkreise
in der Ebene der Karte vorstellen, und in welche sich alle bemer-
kenswerthen Orte und Terrainpunkte nach ihren geographischen
Längen und Breiten eintragen lassen. Diese Liniensysteme heissen
Grad- oder Karten netze und werden auf zwei verschiedenen
Wegen erhalten.
Der eine Weg besteht darin, dass man die darzustellende Erd
fläche so abbildet, wie sie von einem gegebenen Standpunkte (dem
Aug- oder Gesichtspunkte) aus auf einer gleichfalls gegebenen
Ebene (der Projections- oder Bildebene) erscheinen würde,
wenn diese Ebene und der Erdkörper durchsichtig wären. Dieses
Verfahren beruht, wie man bemerkt, auf den Grundsätzen der Per
spektive, wesshalb auch die durch dasselbe entworfenen Karten per
spektivische Pr oj ec tionen heissen. Diese Projectionen, welche
nach der Lage des Augpunktes und der Bildebene verschieden benannt
werden, gewähren im Vergleich zu den folgenden nur wenig Ge
nauigkeit und lassen ohne umständliche Berechnung gar keine Ver
gleichung von Linien- und Winkelverhältnissen zu; dagegen aber
sind sie geeignet, einen Ueberblick grosser Flächen zu gewähren,