§ 5. Die Griechen.
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selben, Antiphon und Bryson, beide Zeitgenossen des So
krates (469—399), in hohem Grade unsere Aufmerksamkeit
verdienten. Antiphon stellte folgende Überlegung an: Wenn
mau einem Kreise ein Quadrat eiuschreibt und dann von diesem
zum regulären Achteck, Sechzehneck u. s. w. übergeht, bis da
durch der Kreis völlig erschöpft wird, so gelangt man schliefs-
lich zu einem Vieleck, welches wegen der Kleinheit seiner
Seiten mit dem Kreise zusammenfällt. Da man aber zu jedem
Vieleck ein gleichflächiges Quadrat zeichnen kann und der Kreis
durch ein gleichflächiges Vieleck ersetzt worden ist, so kann
man auch ein dem Kreise gleichflächiges Quadrat konstruieren*).
Wenn auch Antiphon dabei übersah, dafs auf diesem Wege
doch stets nur eine angenäherte Quadratur zu erzielen sei, so
hat er gleichwohl hiermit „als der erste den völlig richtigen
Weg betreten und den Flächeninhalt eines krummlinigen
Raumes zu ermitteln versucht, indem er ihn durch Vielecke
von immer wachsender Seitenzahl zu erschöpfen (exhaurire)
suchte“ **).
Bryson***) ging noch über Antiphon hinaus, indem er den
eingeschriebenen Polygonen auch die umgeschriebenen hinzu
fügte und dadurch den Begriff einer unteren und oberen Grenze
in die Mathematik einführte.
Von denjenigen Mathematikern, welche vor Archimedes
das Problem von der Quadratur des Zirkels behandelt und ge
fördert haben, nimmt Hippokrates von Chios einen hohen
Rang ein. Dieser Gelehrte, der in der zweiten Hälfte des 5.
Jahrhunderts in Athen lebte und dort Vorträge über Geometrie
hielt, hat das erste Lehrbuch der Elemente der Geometrie ver-
fafst. Mau verdankt ihm ferner den ersten Beweis des Satzes,
dafs Kreisflächen den Quadraten ihrer Durchmesser proportional
sind und endlich das erste Beispiel einer wirklichen Qua
dratur krummlinig begrenzter Flächenräume. Es sind
dies jene mondförmigen Flächenräume (Menisken), welche unter
*) Bretschneider, pag. 101, 125.
**) Hankel, pag. 117. Vergleiche übrigens hiermit auch die von
Vieta auf Grund der Autiphon’schen Ideen gegebene Darstellung der
Kreisquadratur (pag. 33—34 dieses Buches).
***) Siehe Bretschneider, pag. 125 —129.