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Zweites Kapitel.
Weise gefördert. Einem Volke, welches für wissenschaftliche
mathematische Spekulationen so schlecht heanlagt war wie das
römische, genügten auch für die Bedürfnisse der Praxis voll
ständig die vorhandenen Näherungswerte für n. Aber dafs
auch selbst diese, namentlich der archimedische 3^-, nicht
allen vertraut waren, beweist der Umstand, dafs der bekannte
Architekt Vitruvius sich (ums Jahr 14 v. dir.) des zwar be
quemeren aber auch weit ungenaueren Wertes 3™ = 3,125
bediente.
Von ganz anderem mathematischen Range waren dagegen
die Inder*). Schon Äryabhatta (geh. 476 n. dir.) kannte
für die Zahl n das Verhältnis = 3,1416. Dem-
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selben Werte begegnen wir auch in der Form hei Bhäs-
kara (geh. 1114 n. dir.), welcher in seinem Werke Siddhän-
ta^iromani (die Krönung des Systems) und speziell in dem
die Arithmetik behandelnden Kapitel Lilävati (die Reizende)
jenen Wert als den „genauen“, im Gegensätze zu dem „unge-
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nauen“ — bezeichnet. Gane^a, der Commentator Bhäskara’s,
belehrt uns darüber, wie der in der That überraschend genaue
Wert erhalten wurde. Mittels der Formel:
Szn = V2 — ]/4 — sl,
durch welche aus der Seite s n des eingeschriebenen w-Ecks die
Seite S2n des eingeschriebenen 2 w-Ecks erhalten wird, berech
nete man successive den Umfang der Polygone von 12, 24, 48,
96, 192 und 384 Seiten. Wird der Durchmesser des Kreises
gleich 100 gesetzt, so erhält man für den Umfang des 384-
Ecks schliefslich den Wert ]/9cS694, welcher in der That zu
dem Werte Aryabhatta’s führt.
Ein sehr merkwürdiger Wert, der den Indern durchaus
*) Die mathematischen Leistungen der Inder sind uns namentlich
durch die sehr verdienstvolle Übersetzung Colebrooke’s zugänglich
geworden: „Algebra with arithmetic and mensuration, from the Sanscrit
of Brahmegupta and Bhäskara translated by H. Th. Colehrooke. Lon
don, 1817.“