§ 8. Die Zeit der Renaissance*).
Wie Leonardo als ein glänzendes Meteor bezeichnet wor
den ist, das auftauclit und wieder verschwindet, so erscheint,
wenn wir speziell an das Problem von der Quadratur des Zir
kels denken, die von Leonardo ausgeführte Kreisrektifikation
als ein singulärer Punkt in der Entwicklung dieses Problems.
Denn mehr als zwei Jahrhunderte — insofern wir nämlich den
Blick nur auf wirklich mathematische Untersuchungen und
nicht auch auf scholastische Spielereien richten — müssen wir
durcheilen, bis wir wieder von einer direkten oder indirekten
Förderung unseres Problems sprechen können. Galt doch selbst
Männern, wie Johannes Campanus von Novarra (in der
zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts) und Albert von
Sachsen (gest. 1390) der Wert n — 3y nicht als ein Näherungs
wert, sondern als die genau richtige Yerhältniszahl!**)
Erst Georg von Peurbach (1423—1461), der ausge
zeichnete Astronom und vortreffliche Humanist an der (1365
gegründeten) Wiener Universität, vermag unser Interesse wieder
zu fesseln. Zunächst war er durchaus vertraut mit allem dem,
was in bezug auf die Kreismessung bisher geleistet worden
war. Er kannte die von Archimedes gefundenen Grenzen 3 *
und 3^, er wufste, dafs Ptolemäus sich des Wertes be
dient hatte und dafs die Inder die Werte ]/10 und ge
funden hatten. Er war sich aber auch wohl bewufst, dafs dies
alles nur Näherungswerte seien, und zweifelte vielmehr daran,
dafs überhaupt ein angebbares Verhältnis zwischen dem Kreis
umfange und dem Durchmesser existiere. Gröfser aber ist der
indirekte Anteil, den Peurbach an der Förderung unseres Pro-
*) In bezug auf die Zeit der Renaissance siehe: Rudio, Über den
Antheil der mathematischen Wissenschaften an der Kultur der Renais
sance. (Heft 142 der Sammlung von Yirchow und Wattenbach, Ham
burg 1892.)
H, Suter, Der Tractatus de quadratura circuli des Albertus de
Saxonia (Hist.-litt. Abt. der Zeitschr. für Math, und Physik. Bd. 29).