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Dxättes Kapitel.
sie nur zur Schärfung der Kritik beitrugen, sei es, dafs sie
auch selbst, von einigen Irrtümern abgesehen, neue und inter
essante Wahrheiten enthielten, zeigt unter anderem das Bei
spiel des Gregorius von St. Vincent (geh. zu Brügge 1584,
gest. zu Gent 1667) und seines mit Descartes und Huygens aus-
gefochtenen Streites *).
So lagen die Verhältnisse, als Leonhard Euler**) (geh.
zu Basel am 15. April 1707, gest. zu St. Petersburg am 18. Sept.
1783) seine reiche, auf alle Gebiete des mathematischen Wissens
sich erstreckende Thätigkeit zu entfalten begann. Es kann
nicht die Absicht dieser Zeilen sein, den Verdiensten eines
Euler, selbst nur auf dem verhältnismäfsig kleinen Gebiete der
Kreismessung, gerecht werden zu wollen. Wir müssen uns
darauf beschränken, das Wichtigste kurz anzudeuten.
Wie die Trigonometrie von den Griechen begründet wurde,
welche Fortschritte sie bei den Indern und Arabern machte,
wie sie von den letzteren den Völkern des christlichen Mittel
alters überliefert wurde, um dann zur Zeit der Renaissance
durch Peurbach, namentlich aber durch Regiomontanus zu
einer selbständigen Wissenschaft ausgebildet zu werden, das
alles haben wir, wenn auch natürlich nur in ganz flüchtigen
Umrissen, zu zeichnen versucht. Die Trigonometrie aber, wie
wir sie heute besitzen, ist, auch wenn wir uns vorläufig nur
auf den elementaren Teil derselben beziehen, der äufseren Form
nach eine Schöpfung Eulers. Erst Euler hat beispielsweise
die Seiten eines Dreiecks kurz mit a, h, c und die gegenüber
liegenden Winkel mit a, ß, y (oder auch mit A, B, C) be
zeichnet, was ihn zu den erst seit ihm konsequent benutzten
kurzen Bezeichnungen sina, cosa, tanga, cota, seca, coseca
führte. Vor Euler wurden diese Ausdrücke entweder durch
*) Huygens, Opera varia, L, pag. 329.
**) In bezug auf das Leben und die Werke von Leonbard Euler
siehe die Gedächtnisreden von Condorcet und Fuss; ferner Wolf, Bio-
graphieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, Bd. 4; Die Basler Mathe
matiker Daniel Bernoulli und Leonhard Euler, hundert Jahre nach ihrem
Tode gefeiert von der Naturforschenden Gesellschaft (Basel 1884); Rudio,
Leonhard Euler, Vortrag gehalten auf dem Rathause zu Zürich am
6. Dec. 1883 (Basel 1884).