eigenen Reiz hat das Material — unten Donaukalkstein, weiter oben
Grünsandstein —, das vom Wetter der Jahrhunderte stark abge-
waschen und abgeschliffen ist.
In diese Formenzone gehören auch die Beispiele der Nürnberger
Gotik: St. Lorenz, eine spätgotische Hallenkirche repräsentativen,
aber etwas kühlen Charakters mit vielen berühmten Werken der
Skulptur, der Glasmalerei und des Kunstgewerbes angefüllt, so daß
das Innere einem Museum gleicht; St. Sebald, ein Hallenbau, der
ausdrucksvoller in dem ebenfalls reich mit Kunstwerken angefüll-
ten Inneren als im Äußeren ist, wenngleich der Chorpartie mit den
hohen Fenstern etwas Festes und Würdiges eigen ist, und endlich
die Frauenkirche, ein reicher, kokett mit Schmuck überladener Bau,
bei dem sich alle Wirkung in die Schauseite am Markt drängt und
angesichts dessen sich der Vergleich mit dem Barock, dem Rokoko
mit Händen greifen läßt. Von hier bis zu den Pavillonbauten des
Zwingers ist wirklich nur ein einziger Schritt. Nürnberg war zur
Zeit der Gotik sehr baufreudig. Allen Bauten aber war, trotz der
kunstgewerblichen Fülle, etwas Schwungloses eigen. Der Monu-
mentalgedanke ist in dieser Bürgerstadt nie ganz siegreich durch-
gedrungen.
Selbst dort, wo die reine Architekturwirkung gotischer Kirchen
nicht vollkommen ist — und es gibt viel Konventionelles auch in die-
sem an sich unkonventionellen Stil —, bleibt die städtebauliche Wir-
kung bedeutend. Denn die Gotiker hatten viel Sinn für die Wahl des
rechten Bauplatzes, für das Verhältnis von Stadtbild und dem, was
die „Stadtkrone‘“ genannt worden ist. Mit richtigem Gefühl sind die
Kirchen oft von niedrigen Wohnhäusern eng umbaut worden; da-
durch wurde die Wirkung des steilen Emporsteigens der Türme
gesteigert. Beispiele für eine solche symphonische Wirkung bieten
viele Städte. Erwähnt sei die leicht und triumphal aufwachsende
Lambertikirche in Münster, die zu dem ernsten Dom heiter hinüber-
grüßt, und die schwere, in ihrer fast romanischen Wucht aber auch
elegante zweitürmige Frauenkirche in München, sodann St. Mar-
tin in Landshut, der alle Straßen der Umgebung beherrscht; er-
wähnt seien die beiden einander verwandten St. Georgenkirchen in
10