Kongruenz und Messung.
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auf den zweiten Paragraphen des dritten Abschnitts (B. 1. S. 168),
wonach dies Resultat nicht richtig ist, wofern man nicht voraus
setzt, dafs die Zuwendung stetig sein soll. Eingehender handelt
von der Darstellung der Punkte einer Mannigfaltigkeit durch Wert
systeme (Koordinaten) eine soeben erschienene Arbeit des Herrn
Burkhardt. 1 )
2. Die Voraussetzung, welche Riemann an die Spitze des
zweiten Abschnitts stellt, dafs jede Linie durch jede andere mefsbar
sei, ist unzulässig. Denn, wie man aus den Darlegungen des
dritten Paragraphen im dritten Abschnitt (B. 1. S. 172) folgern
kann, giebt es in jeder zweifach ausgedehnten Mannigfaltigkeit
Linien, deren Länge nicht gemessen werden kann. Indessen hat
dieser Umstand, der Riemann selbst wenigstens später bekannt
gewesen ist, für die Arbeit selbst keinen Belang, da nur Linien
betrachtet werden, die in ihrer analytischen Darstellung gewissen
Bedingungen genügen und deshalb mefsbar sind. Dagegen scheint
mir ein anderer Punkt von gröfserer Bedeutung zu sein. Riemann
selbst sagt im ersten Abschnitt seiner Abhandlung (I, 1): »Das
Messen besteht in einem Aufeinanderlegen der zu vergleichenden
Gröfsen; zum Messen wird also ein Mittel erfordert, die eine
Gröfse als Mafsstab für die andere fortzutragen.« Hiernach ist
das Messen keine Grundoperation der Geometrie, indem es eine
andere Operation, nämlich die Bewegung, benutzt. Da Riemann
diese Überzeugung hatte, durfte er auch nicht vom Ausdruck für
das Linienelement ausgehen, sondern mufste allgemeine Gesetze
für die Bewegung aufstellen, diese in eine analytische Form
bringen und darauf seine weitere Entwicklung stützen. Bei dem
Wege, den Riemann einschlägt, sind wir nicht sicher, dafs die
an sich willkürlich angenommene Form des Linienelementes mit
den Gesetzen der Bewegung vereinbar ist.
3. Riemann will den ganzen Inhalt der Geometrie aus dem
Begriffe des Linienelementes herleiten, und es ist nachträglich
vielfach als sein besonderes Verdienst gerühmt worden, dafs er
die gesamte Geometrie auf ein einziges Princip zurückgeführt
habe. Das ist aber etwas durchaus Unmögliches: denn die Ana
lysis kann über einen ihr gegebenen Begriff nicht hinausgehen,
die Geometrie bedarf aber noch weiterer Begriffe, welche von
dem der Länge einer Linie wesentlich verschieden sind. Sie