Kapitel I.
Geometrisches über confocale Cyclidenschaaren.
§ 1. Ueber die Geometrie der reciproken Radien und die pentasphärischen
Coordinaten. — Einführung der Cycliden.
Die Transformation durch reciproke Radien oder Inversion spielt, wie schon bemerkt,
in der Potentialtheorie eine Hauptrolle, sofern in letzterer alle räumliche Configurationen,
welche aus einander durch Inversion hervorgehen, oft geradezu als gleichberechtigt angesehen
werden können. Es wird daher zweckmässig sein, vorab allgemein eine, dieser Auffassung
entsprechende, Behandlungsweise der Geometrie zu besprechen, welche wir mit Herrn Klein*)
als Geometrie der reciproken Radien bezeichnen wollen ; eine Disciplin, welche bis jetzt lei
der keine zusammenfassende Darstellung gefunden hat.
In der elementaren Geometrie betrachtet man alle diejenigen Eigenschaften einer
Figur als geometrisch wesentlich, welche durch beliebige Bewegungen, Aehnlichkeitstrans-
formationen und Spiegelungen des Raumes nicht geändert werden.
Fügen wir nun zu den hiermit genannten elementaren Transformationen des Raumes
noch die Inversion hinzu, so bekommen wir einen Inbegriff von Operationen, welche wir
gemeinsam als Kugelverwandtschaften bezeichnen wollen, indem sie unter allen an
deren Punkttransformationen dadurch charakterisirt sind, dass sie jede Kugel (bezw. Ebene)
des Raumes in eine andere Kugel (bezw. Ebene) überführen. Nun werden wir in der Geo
metrie der reciproken Radien nur solche Eigenschaften der Figuren in Betracht ziehen,
welche gegenüber beliebiger Kugelverwandtschaft invariant sind**).
*) „Vergleichende Betrachtungen über neuere geometrische Forschungen.“ Erlanger Programm 1872,
**) Man bemerke, dass p r 03 e c tiv e G e 0 m et ri e und Geometrie der reciproken Ra
dien als Schwesterdisciplinen anzusehen sind, indem die Gruppe der elementaren Geometrie für jede von
ihnen nach einer anderen Richtung erweitert wird.