Die Elemente der Arithmetik.
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§ 9. Graphische Darstellung der Zahlengröfsen.
Wenn wir zu dem Begriff der Zahl nur durch Betrachtung realer
Objecte mit gemeinsamen Merkmalen gelangen konnten, liegt es nun
nahe zu fragen, ob wir nicht von den rationalen und irrationalen und
den complexeu Zahlengröfsen ein Abbild schaffen können, an dem uns
das formale Denken zuversichtlich erleichtert wird, da unser Denken
ohnehin in letzter Instanz an Dinge der Sinnenwelt anknüpft und auf
Erfahrungen über Vorgänge an Dingen der Sinnen weit gestützt ist.
Auf einer geraden Linie lassen sich die Punkte dadurch begriff
lich fixiren, dafs man nach Annahme einer Mafseinheit ihre Entfer
nungen von einem festen Punkte 0 der geraden Linie in dieser Mafs-
einheit angibt. Diesem Punkte 0 ordnen wir die Zahl Null zu und
fassen ihn als „Träger“ der Null auf. Tragen wir von 0 aus die be
stimmte Strecke, welche als Mafseinheit fixirt ist, ein, zwei, wmal auf
den beiden Theilen der geraden Linie auf, so sollen die Endpunkte
dieser Vielfachen der Mafseinheit Träger der Zahlen -J- 1, -j-2, . .. -f-w...
resp. — 1, —2,.,. —n ... sein, je nachdem wir uns in dem vor
her fixirt gedachten positiven oder negativen Theile der Linie befinden.
Die gleich grofsen Strecken zwischen zwei aufeinander folgenden
Punkten, die die Träger von -|- a oder — a und + [a -f- 1) sind,
theile man in n gleiche Theile und fasse den wten Theiluugspunkt,
den man bei dem Fortschreiten von dem 0 näher liegenden Punkte
erreicht, als Träger von
auf. — So wird die Entfernung durch eine rationale Zahlengröfse
fixirt, wenn sie in rationalem Verhältnis zur Mafseinheit steht; wenn
aber dieses Verhältnis irrational ist, wird mau eine unendliche Anzahl
rationaler Elemente a x , a 2 ,...a n ... so augeben können, dafs die
den Summen
a \) a l "j" a 2> • • • a ] “f" #'2 ~h ’ ’ ’ "f" a n, • •
(er)
zugehörigen Punkte dem durch eine Zahlengröfse zu fixirenden Punkte
mit wachsendem n beliebig nahe kommen, und man sagt: Die Ent
fernung des Punktes ist a, wenn a die der unendlichen Reihe
-f- a 2 -f- • • •) oder wenn a die der Fundamentalreihe (a) zugehörige
Zahlengröfse ist.
Nach diesen Festsetzungen leuchtet ein, dafs zwei Entfernungen
gleich oder verschieden sind, wenn die dieselben fixirenden Zahlen
gröfsen gleich oder verschieden sind.
So dienen die reellen Zahlengröfsen zur Bestimmung der Lage
eines Punktes, und da umgekehrt jeder Zahlengröfse ein bestimmter
Punkt der geraden Linie zuzuordnen ist (ein Satz, den Cantor mit
Biermana, Functionentheorie. 4