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Kap. 7. Aufeinander abwickelbare Flächen.
Diejenigen Eigenschaften, welche sich nicht ändern, wie die Fläche
auch verbogen werden mag, fallen in ihre Geometrie, die übrigen
haften der Gestalt und der wirklichen Lage der Fläche im Raume an.
Zwei Flächen S, S', deren Punkte P, P' einander so zugeordnet
werden können, daß die entsprechenden Linienelemente gleich werden,
haben dieselbe Geometrie, weil dann auch die endlichen Bogen, die
Winkel und die Flächenräume der Figuren auf S den entsprechenden
Stücken der Figuren auf S' gleich sind. In diesem Falle heißen die
beiden Flächen S, S' aufeinander abwickelbar (verbiegbar), womit
gesagt werden soll, daß die eine Fläche (oder ein Stück von ihr) durch
bloße Verbiegung, ohne Riß oder Faltung, auf die andere ausgebreitet
werden kann. Damit aber diese Abwicklung für wirklich ausführbar
gehalten werden kann, muß offenbar das Vorhandensein einer stetigen
Aufeinanderfolge von Gestaltsänderungen der biegsamen Fläche S,
welche von S zu S' hinüberleitet, nachgewiesen werden. Unlängst
hat E. E. Levi auf Grund der weiterhin in § 109 — 110 — 113 be
wiesenen Sätze nachgewiesen 1 ), daß dies tatsächlich immer der Fall ist,
wenn die beiden Flächen S und S' (oder ihre in Betracht kommenden
Gebiete) negative Krümmung haben. Im Falle positiver Krümmung
braucht eine der Flächen nur durch eine Symmetriefläche ersetzt zu
werden. Somit hat die von Voß vorgeschlagene, anfangs wohl
begründete Unterscheidung zwischen Isometrie und Verbiegbarkeit
fortan keine Existenzberechtigung.
Wenn für zwei Flächen S, S' die Ausdrücke für die Quadrate der
Linienelemente gegeben sind:
ds 2 = Edu 2 + 2Fdudv + Gdv 2 ,
ds' 2 = E'du 2 + 2 F'du'dv' + G'dv' 2 ,
so muß man, um zu erkennen, ob sie aufeinander abwickelbar sind,
untersuchen, ob zwischen den Punkten {u, v) der einen und den Punkten
(u, v') der andern eine solche Zuordnung möglich ist, daß sich die
Gleichheit der Linienelemente:
ds = ds'
ergibt.
Für die Abwickelbarkeit der beiden Flächen aufeinander ist es
demnach notwendig und hinreichend, daß die Differentialformen:
Edu 2 + 2F dudv + Gdv 2
E'du 2 + 2F'du'dv' + G'dv' 2
ineinander transformierbar sind.
1) Sulla deformazione delle superficie flessibili ed inestendibili. Atti dell’
Accad. di Torino, 1908.