Full text: Vorlesungen über Differentialgeometrie

312 Kap. 11. Unendl. kleine Yerbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El. 
Die Guichardschen Strahlensysteme (§ 157, S. 290), deren ab 
wickelbare Flächen dieselben sphärischen Bilder wie die Haupttangenten- 
kurren einer pseudosphärischen Fläche haben, können nun offenbar als 
Ribaucoursche Strahlensysteme mit pseudosphärischer Er 
zeugungsfläche definiert werden. 
Wir wollen nun untersuchen, ob es Ribaucoursche Normalen 
systeme gibt. Die sphärischen Bilder ihrer abwickelbaren Flächen 
bilden in diesem Falle ein Orthogonalsystem, und da dasselbe auch das 
Bild der Haupttangentenkurven der erzeugenden Fläche sein muß, so 
ist folglich diese eine Minimalfläche. Die Bilder der Krümmungslinien 
der zu den Kongruenzstrahlen normalen Flächen bilden ein Isothermen 
system. Umgekehrt bilden die Normalen einer Fläche, bei der die 
Bilder der Krümmungslinien ein Isothermensystem sind, ein Ribaucour- 
sches Strahlensystem. 
Endlich bemerken wir, daß es unter denjenigen Ribaucour- 
schen Strahlensystemen, die eine gegebene Fläche S zur Er 
zeugenden haben, unendlich viele gibt, deren Mittelfläche 
eine Ebene ist. 
Um sie alle zu erhalten, brauchen wir nur wie folgt zu verfahren 
(§ 158, S. 293, Anmerkung): Wir projizieren alle Punkte von S ortho 
gonal auf eine Ebene 7t, drehen das ebene Bild der Fläche um einen 
rechten Winkel um einen festen Punkt der Ebene und ziehen durch die 
Punkte des neuen Bildes Parallele zu den Normalen von S. Ist ins 
besondere die Fläche S eine Minimalfläche, so ist das auf diese Weise 
erhaltene Strahlensystem nach dem soeben Gesagten ein Normalen 
system; die zu den Strahlen normalen Flächen sind in diesem Falle 
die Bonnetschen Flächen, bei denen die zwischen den beiden 
Krümmungsmittelpunkten in der Mitte gelegenen Punkte in einer Ebene 
liegen. 
Aus diesen Betrachtungen folgt, daß bei einer orthogonalen Pro 
jektion der Haupttangentenkurven einer beliebigen Fläche auf eine Ebene 
ein ebenes System mit gleichen Invarianten entsteht und daß umgekehrt 
jedes derartige ebene System die Orthogonalprojektion der Haupt 
tangentenkurven einer gewissen Fläche ist 1 ). 
1) Koenigs, Comptes Rend, de F Acad. d. Sciences, 114. Bd., S. 55. Der von 
Koenigs angegebene Satz ist insofern allgemeiner, als er sieb auf eine beliebige 
Zentralprojektion der Haupttangentenkurven bezieht. Er folgt sofort aus dem im 
Texte betrachteten Spezialfall, wenn man berücksichtigt, daß bei projektiven Trans 
formationen die Haupttangentenkurven und die konjugierten Systeme mit gleichen 
Invarianten in ebensolche Kurven bzw. Systeme übergehen.
	        
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