Full text: Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie

Die grosse Lebhaftigkeit des Glanzes der Venus macht 
physische Beobachtungen ihrer Oberfläche sehr schwierig. 
Ueberhaupt kann man sie mit so starken Vergrösserungen, als 
man z. B. bei den oberen Planeten noch anwendet, nicht mehr 
mit Vortheil beobachten. Dies wäre nun zwar bei ihrem be 
deutenden scheinbaren Durchmesser kein so grosser Nachtheil: 
dennoch wissen wir von ihrer Oberfläche weit weniger als von 
der des entfernten Jupiter. An fleissigen Beobachtern hat es 
nicht gefehlt, doch nur wenige von ihnen haben Flecke ge 
sehen, und diese versichern, dass sie äusserst selten und dann 
nur höchst matt und unbestimmt, gleich einem leisen Hauche, 
erscheinen. Der ältere Cassini glaubte durch diese Beobach 
tungen eine Rotation der Venus zu finden und bestimmte ihre 
Periode zu 23 h 1 ob wogegen Bianchini in Rom später Beobach 
tungen machte, die ihm 24 Tage 8 Stunden gaben. So sonder 
bar es nun auch klingen mag, der fast 150jährige Streit 
zwischen beiden schlechterdings unvereinbaren Resultaten ist 
erst in den letzten Jahren entschieden worden*). Fast alle 
späteren Beobachter, die nämlich überhaupt dahin gelangten, 
Etwas in dieser Beziehung wahrzunehmen, sprachen sich zu 
Gunsten des Cassinischen Resultats aus: am bestimmtesten 
Schröter in seinen aphroditographischen Fragmenten; Herschel 
der ältere konnte nie hinreichend bestimmte Flecke wahr- 
nehmen, die Beobachtungen der gesehenen machte ihm aber 
Bianchini' 1 s Resultat höchst unwahrscheinlich. Da es nun so 
äusserst schwer hielt, durch Flecke zu Etwas zu gelangen so 
versuchte Schröter durch die veränderliche Gestalt der Hörner, 
besonders des südlichen, zu einem Ergebniss zu kommen; dies 
gab ihm 23 h 21' also fast ganz das Cassinische Resultat. 
Leider waren Schröter’s Hülfsmittel eben so wenig als seine 
Berechnungsmethoden von der Art, dass sie vor einer strengen 
Kritik bestehen können. Ich machte im Sommer 1836 eine 
Reihe von Beobachtungen der Venus, bei denen ich nie eine 
Spur von Flecken, wohl aber öfters diese Veränderlichkeit der 
Horngestalt wahrnahm. Wiewohl nun bei so delikaten Beobach 
tungen leicht eine Täuschung mit unterläuft, so kann ich doch 
nicht glauben, dass sämmtliche wahrgenommene Veränderungen 
*) So schien es allerdings; inzwischen haben die Ergebnisse der 
Spectral-Analyse wieder neuerdings beide Resultate in Frage gestellt. 
Man hat Grund gefunden zu glauben, dass die Atmosphäre der Venus 
überall und dauernd mit Gewölk erfüllt ist, welches Bestimmungen 
nach obiger Art verhindert. Der Herausgeber. 
Topographie des Planetensystems der Sonne.
	        
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