Full text: Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie

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Sechster Abschnitt. 
nicbfaltiger und verwickelter als bei unserer Erde, aber ihrem 
Gesammtbetrage nach geringer. Anders jedoch ist es mit den 
physischen Verschiedenheiten, von denen wir auf der Erde 
wenig wissen, die aber auf dem Monde das ganze Verhältniss 
umgestalten. Wir müssen hier als bekannt voraussetzen, dass 
die Oberfläche des Mondes beträchtliche gebirgige Ungleichhei 
ten habe, besonders aber eine grosse Anzahl schroff abstürzen 
der, kreisförmiger Tiefen mit erhöhetem Walle. Die hoch 
liegenden Gipfel erhalten die Sonnenstrahlen um mehrere 
Stunden früher, als die Ebenen und Thäler, ja letztere ver 
lieren, wenn sie nach der Aequatorseite zu von einem Walle 
begrenzt sind, regelmässig einen grossen Theil des Tages, 
einige den ganzen Tag, so dass sie gar keinen directen 
Sonnenschein erhalten. Am eigenthümlichsten stellt sich dies 
Verhältniss für die Polargegenclen, wo die höheren Bergspitzen 
immerwährenden Sonnenschein gemessen*), die Thäler 
aber weder Tag noch Nacht kennen, sondern nur mehr oder 
minder helle Dämmerung, erzeugt durch den Reflex der um 
liegenden Höhen. 
Dieses überraschende Factum ist das Resultat einer höchst 
einfachen Rechnung: die Sonne kann nie tiefer als 1 1 / 2 unter 
den wahren Horizont des Nord- oder Südpols herabsinken, nie 
sich höher über ihn erheben. Ueberragt nun ein Berggipfel 
die umliegende Gegend nur um 1830 Fuss, so gewinnt er (auf 
der kleinen Mondkugel) schon 1% des unter seinem wahren 
Horizont liegenden Himmels und kann mithin nie die Sonne 
gänzlich verschwinden sehen. Nun aber giebt es an beiden 
Mondpolen Berge, welche diese Höhe weit übersteigen; am 
Nordpole Gipfel von 9000, am Südpole von mehr als 20000 
Fuss Erhebung über das Niveau des Fusses; und nicht minder 
Tiefen, die von solchen Bergen und Bergwällen rings umgeben 
sind. 
Wie die Tage selbst auf dem Monde wenig verschieden 
sind, so ist es auch die Mittagshöhe der Sonne für einen gege 
benen Mondort, deren ganzer Spielraum nicht völlig 3° beträgt, 
*) Diese in buchstäblich ewigem Lichte erglänzenden Höhen lassen 
sich speciell nachweisen: man erblickt sie besonders schon und zahlreich 
am südlichen Home die ganze' Lunation hindurch als strahlende Licht 
inseln, und namentlich bei sichelförmiger Gestalt des Mondes genügt 
schon ein 15—20mal vergrösserndes Handfernrohr, sie mit aller erwünsch 
ten Deutlichkeit wahrzunehmen. — Hier würden die Magier des Ostens 
den Tempel des Sonnengottes errichtet, hier das heilige Feuer unter 
halten haben, wäre es ihnen vergönnt gewesen.
	        
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