Full text: Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie

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Sechster Abschnitt. 
genüber fehlt es ganz; es entsteht also ein Ring von sehr un 
gleicher Breite, Intensität und Farbe. Diese so ungleich ver 
theilten Regenbogenfarben bringen ein verworrenes graues 
Dämmerlicht hervor, etwa wie ein mechanisches Gemenge der 
betreffenden Pigmente es erzeugen würde, und in diesem Däm 
merlichte zerfliessen die Bilder der Gegenstände in eine form 
lose Masse, daher das Verschwinden der Flecke. Je weiter 
nun aber die Erde vorrückt, je weniger Licht an der breitesten 
Stelle durchdringen kann, desto gleichförmiger und gleich 
farbig er muss der Ring selbst werden; und da unter den 
Brechungsfarben Roth die stärkste und am längsten wahr 
nehmbare ist — man denke an unsere Morgen- und Abend- 
röthe — so überwiegt es je länger desto mehr, bis es endlich 
nur allein noch wahrgenommen wird. In dem Maasse, wie 
dies erfolgt, tritt an die Stelle des grauen verworrenen Zwie 
lichtes ein zwar weit schwächeres, aber gleichförmiges rothes 
Licht, und in diesem fängt man die Gegenstände wieder zu 
unterscheiden an. Die Flecke erscheinen also wieder und 
bleiben sichtbar, bis etwa gegen die Mitte der Finsterniss hin 
die Erdscheibe nach allen Seiten so weit übergreift, dass auch 
die letzten rothen Strahlen verschwinden und nächtliche Schatten 
die Mondlandschaften bedecken. In ähnlicher Weise sehen 
wir in einer Mondnacht, obgleich das Licht der Quantität nach 
beträchtlich geringer als das der Abenddämmerung ist, dennoch 
Hell und Dunkel weit bestimmter gesondert, als gleich nach Son 
nenuntergang, und wie im Sonnenschein selbst unterscheiden sich 
Licht und Schatten, während selbst das hellste Zwielicht uns 
ein Verschwimmen der Formen und Farben darbietet. Die 
Brechung in der Erdatmosphäre, wiewohl sie ohne Zweifel den 
wesentlichsten Antheil an dem erwähnten Phänomen hat, scheint 
demnach allein zur Erklärung nicht auszureichen, besonders 
wenn man bedenkt, dass auch wir bei Sonnenfinsternissen um 
den verdeckenden Mond einen ähnlichen und zwar äusserst 
lebhaft glänzenden Ring bemerken, während die gewichtigsten 
Gründe gegen das Vorhandensein einer Mondatmosphäre von 
merklicher Dichte sprechen. Die einfachste Annahme, welche 
beiden Erscheinungen Genüge leistet, ist die einer um die 
Sonne nach allen Seiten hin sich erstreckenden Lichthülle, 
die im gewöhnlichen Zustande durch den lebhaften Glanz der 
eigentlichen inneren Photosphäre verdunkelt und unserm An 
blick entzogen wird, aber hervortritt, sobald letztere verdeckt 
ist, was nur bei totalen Finsternissen geschehen kann. 
Bei den in Dorpat am grossen Refraktor beobachteten 
Mondfinsternissen habe ich übrigens wahrgenommen, dass die 
Flecke des Mondes auch kurz nach der Beschattung sämmt-
	        
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