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Sechster Abschnitt.
bei fortschreitender Kultur die menschliche Industrie sich nach
diesen Richtungen hin so entfaltet hätte, wie wir es jetzt
kennen.
§. 119.
Es ist nun endlich Zeit, die bisher nur gelegentlich be
rührte Frage über die Atmosphäre und die Gewässer des
Mondes direkt zu beantworten. Seit Mayer aus Gründen, die
wir sogleich darlegen werden, die Existenz beider bestritt, hat
man sich, zum Theil mit heftiger Polemik, auf der Gegenseite
bemüht, diese Gründe zu entkräften und ihnen andere entgegen
zustellen. Ein Weltkörper ohne Luft und ohne Wasser
schien — wenigstens insofern er bewohnt sein sollte — ein
Widerspruch, und aus menschenfreundlicher Theilnahme für das
Wohl der Seleniten griff man nach der letzten Möglichkeit, um
ihnen diese beiden absolut unentbehrlichen Requisite des phy
sischen Lebens zu retten. Der Astronom aber kann sich von
keinem auch noch so edlen Gefühle bestechen lassen, wo es
Erforschung der Wahrheit gilt, und selbst auf die Gefahr hin,
dass den Mondbewohnern die Existenz abgesprochen werden
müsste, sieht er sich genöthigt, eine Luft und ein Wasser, wie
wir beides hier kennen, zu verneinen. Jede Luftart, nicht bloss
unsere atmosphärische, bricht den Lichtstrahl und schwächt
das hindurchgehende Licht: weder von dem einen noch dem
andern ist auf der Mondoberfläche das Geringste wahrzunehmen.
Wenn wir die Randlandschaften derselben beobachten und mit
denen der Mitte vergleichen, so finden wir dieselbe Deutlich
keit, was hei keiner mit einer Atmosphäre umhüllten Kugel
möglich ist. Wir finden beim Eintritt eines Sterns in den
Mondrand keine Schwächung, wie sie die Erdatmosphäre (und
zwar in sehr starkem Maasse) bewirken würde; und eben so
wenig eine Verminderung der Dauer des Durchgangs, die eine
Mondatmosphäre ebenso bewirken würde, wie die Erdatmosphäre
durch die Strahlenbrechung eine Verminderung der Nachtlänge
bewirkt. Eine Umhüllung des Mondes also muss, wenn sie
existirt, so beschaffen sein, dass sie den Lichtstrahl weder
schwächt noch ahlenkt. Enthielte diese unbekannte Umhüllung,
die wenigstens nicht Luft heissen könnte, aufgelösten Wasser
dampf, so würde sich auch dieser durch Strahlenbrechung ver-
rathen müssen. Eine Flüssigkeit aber, die nicht verdunstet
(unser Wasser verdunstet auch im luftleeren Raume), ist uns
nicht bekannt.
Die Freunde der Mondatmosphäre und der Mondgewässer,