Full text: Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie

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Achter Abschnitt. 
dennoch hei einem unbegrenzten Anwachsen von nicht zu 
übersehendem Einflüsse sein. Nähme z. B. die Neigung der 
Erdbahn gegen den Umdrehungsäquator der Erde, in Folge 
dieser Anziehungen, nach und nach zu, so dass sie beide 
einen rechten Winkel bildeten, so würde das Jahreszeiten- 
verhältniss eine totale Aenderung erleiden, und Winter und 
Sommer in weit grösseren Differenzen, als gegenwärtig, aus 
einandergehen. Die Sonne würde den Polbewohnern in der 
Mitte ihres Sommers in’s Zenith rücken und eine kurze Zeit 
fast unbeweglich dort stehen bleiben. In allen Gegenden der 
Erde würde es Tage geben, wo die Sonne nicht auf- und 
untergeht, wass jetzt nur jenseit des ßß 1 /,, 0 Br. der Fall ist; 
mit anderen Worten: die ganze Erde würde in dasselbe 
Yerhältniss gesetzt, in welchem jetzt die polaren Regionen 
stehen. Würde umgekehrt die Schiefe der Ekliptik zu irgend 
einer Zeit gleich Null, fiele demnach die Ebene des Aequators 
mit der der Ekliptik zusammen, so würde kein Unterschied 
der Jahreszeiten mehr stattfinden, die gegenwärtige mittlere 
Jahrestemperatur eines gegebenen Ortes würde die eines jeden 
einzelnen Tages werden, und da nun auch der Unterschied 
der Tageslängen wegfiele, überall auf der Erde zu allen Zeiten 
12 Stunden Tag mit 12 Stunden Nacht abwechselten und nur 
die äussersten Polargegenden einen ewigen, aber bleichen und 
kraftlosen Tag genössen, so würde man den Jahrescyklus nur 
noch an den Sternbildern, die in einer gegebenen Nachtstunde 
culminiren, wahrnehmen können; er würde auf hören von Wich 
tigkeit für die Lebensordnung und die Geschäfte der Erdbe 
wohner zu sein, und nur der Astronom würde sich seiner 
noch bedienen. Dass Planeten unter solchen Verhältnissen 
bestehen können, beweisen Uranus, der sich im ersten Falle, 
und Jupiter, der sich im letzteren (wenigstens nahezu) be 
findet. Aber in einer misslichen Lage befände sich der Welt 
körper, der aus einem Zustande in den anderen überginge; 
oder auch nur stark zwischen beiden schwankte: beides wäre un 
verträglich mit der Constanz der Naturökonomie auf einem 
solchen Planeten. Untersuchungen über die Möglichkeit und 
Ausdehnung solcher Veränderungen sind daher von allgemein 
practischem, nicht mehr bloss wissenschaftlichem Interesse. 
Neigungen und Knoten der Bahnen sind relative Bestim 
mungen, die nur dann einen bestimmten Sinn geben, wenn 
man sie auf eine unveränderliche Ebene bezieht. Weder die 
Ekliptik noch der Aequator der Erde sind feste Ebenen dieser 
Art: beide participiren an den Veränderungen, die sie Wechsels
	        
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