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Achter Abschnitt.
die constante Rotationsaxe, Bei einer rotirenden Kugel könnte
es als möglich gedacht werden, dass eine fremde Kraft die Axe
versetze und dass die Umdrehung fortan um die neuen Pole
vor sich gehe; heim Sphäroid wäre dies selbst dann unmöglich,
wenn durch die momentane Einwirkung eines fremden, etwa
der Erde sehr nahe kommenden Weltkörpers eine augenblick
liche Transposition der Axe erfolgt wäre: sie würde sogleich
wieder einlenken nach Entfernung jenes Körpers. Nach Bessers
Rechnung müsste man, um die Lage der Axe nur um eine
Secunde (95 par. Euss) zu verändern, eine Masse von 114 Cu-
bikmeilen in der dazu geeignetsten Richtung um 90° transpo-
niren, also z. B. das ganze Himalayagebirge in den Norden
Amerika’s versetzen. Die gegenwärtigen Pole also waren dies
stets und werden es in alle Zukunft hinein bleiben; sie sind
so nothwendig als die Erde selbst.
Es ist also vergeblich, für Erscheinungen, wie sie die
neueren geographischen Forschungen uns gezeigt haben, z. B.
für die Palmenwälder, die in der Vorzeit Sibiriens Fluren be
deckten , für die elephantenartigen, also pflanzenfressenden
Thiere im höchsten Norden des amerikanischen Continents,
eine astronomische Erklärung zu suchen. Hatte jemals der
Erdkörper andere klimatische Verhältnisse als jetzt, so muss
die Ursache anderswo liegen. Est ist gar nicht unmöglich,
dass hei der Bildung des Planeten, durch Niederschläge,
chemische Zersetzungen u. dgl. eine ganz andere Temperatur
sich erzeugte, als jetzt auf der längst ausgebildeten Erde
herrscht, und dass diese Temperatur sich erst ganz allmälig
verlor. Noch jetzt kann durch Lichten der Wälder, Aus
trocknen der Sümpfe, bessere Behauung u, dgl., das Klima
eines Landes theilweise geändert werden, und wenn Deutsch
land jetzt ein milderes Land ist, als zu den Zeiten der Römer
und Griechen, so liegt der Grund nicht darin, dass von
Eratosthenes bis Bessel die Schiefe der Ekliptik sich um 16 Mi
nuten vermindert hat, sondern in den so eben angeführten rein
localen Ursachen.
Wir wissen aus Erfahrung, dass das Innere der Erde
eine weit höhere Temperatur hat und dass schon in einigen
tausend Fuss Tiefe die Hitze unerträglich drückt. Wir wer
den durch historische Zeugnisse, wie durch die geognosti-
schen Untersuchungen, belehrt, dass die Erde einst in weit
grösserer vulkanischer und neptunischer Thätigkeit war, als
gegenwärtig, dass also das Innere mit der jetzt starren Ober
fläche in weit ausgedehnterer Wechselwirkung stand, als jetzt,