Full text: Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie

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Zehnter Abschnitt. 
Dieser wird vielmehr nur sehr langsam sich ändern können, 
denn bevor die Curve der Sonnenbahn eine für uns merk 
liche Krümmung zeigt, dürften viele Jahrtausende ver 
streichen. 
S- 211. 
Wenn unsrer Sonne, oder genauer gesprochen, unserm 
Sonnensystem, eine ihm eigne Fortrückung im Welten- 
raume zugeschrieben werden muss, wenn gleichzeitig dieselbe 
Behauptung von den übrigen Fixsternen, so weit wenigstens 
unsre Beobachtungen darüber entscheiden können, gültig ist: 
so muss auch eine bestimmte Beziehung dieser Bewe 
gungen aufgesucht werden. Denn Erforschung des Gesetz 
lichen in der uns umgebenden Natur sowohl, als in unsrer 
eignen innern Welt, ist das Endziel aller Wissenschaft und 
zugleich die nothwendige Bedingung jedes sichern und blei 
benden Fortschritts, da der denkende Geist sich nirgend 
mit der blossen Ueberzeugung vom Dasein der Materie 
begnügen kann, vielmehr das Walten einer allmächtigen und 
. allw r eisen Vorsehung nur da mit unerschütterlicher Gewissheit 
von uns erkannt wird, wo wir eine bestimmte gesetzliche 
Ordnung in den Veränderungen wahrnehmen. So hat die 
weitere Forschung von System zu System hinauf keines- 
w r eges eine blos astronomische, sondern viel mehr noch eine 
ethisch-religiöse Wichtigkeit, die freilich ihre volle Anerken 
nung erst in einem Jahrhundert finden wird, in welchem 
dogmatische Subtititäten die Geister nicht mehr in zwei feind 
liche Lager zu theilen im Stande sind. 
Der Astronom würde seinen Beruf gänzlich verkennen, 
wenn er das Herannahen dieser Zeit unthätig erwarten 
wollte. Unsre grossen Vorgänger, ein Copernicus, Galiläi 
und Kepler, haben nicht danach gefragt, mit welchem güns 
tigen oder ungünstigen Auge die Mitwelt ihre Forschungen 
betrachten werde: sie haben einfach Wahrheit gesucht und 
ihren einzigen Lohn darin gesehen, sie zu finden, wohl wis 
send, dass die Zeitgenossen keinen andern für sie bereit 
hatten. Sollen wir, die wir — äusserlich wenigstens — 
glücklicher und sichrer als sie gestellt sind, zögern, ihrem 
Beispiele zu folgen, und etwa aus Besorgniss, es möchte 
ein Alter der Welt resultiren, wogegen das der mosaischen 
Geschichte zu einem Nichts verschwindet, unsre Forschun 
gen bei Seite setzen? Der Religion, der einen und ewi 
gen, wäll die Naturforschung als Dienerin verpflichtet sein 
und bleiben, denn Gotteserkenntniss und Wahrheitserkennt- 
niss ist eins und dasselbe; zu einer gefügigen Magd der
	        
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