468
Zehnter Abschnitt.
Struve und mit dem an das Heliometer angebrachten Messungs
apparat Bessel an den Doppelsternen (s. den folgenden
Abschnitt) Resultate erlangt, deren Genauigkeit sogar Zehntel
sekunden noch als reelle Werthe erscheinen liess. Dies machte
neue Erwartungen rege. Im eigentlichen Sinne unendlich
weit konnten doch die Fixsterne nimmermehr stehen, und an
der Richtigkeit des Copernicanischen Systems hatte schon seit
mehr als einem Jahrhundert Niemand mehr gezweifelt, der
mit der Astronomie nur einigermassen vertraut war. Und
jetzt zum erstenmale sollte diese Hoffnung nicht eitel sein.
Fast gleichzeitig (1836) wurden auf drei verschiedenen Punkten
und nach drei verschiedenen Beobachtungsmethoden die reellen
Parallaxen dreier Sterne gefunden und, durch die weiter fort
gesetzten Beobachtungen, innerhalb so enger Grenzen fixirt,
dass das Problem als gelöst angesehen werden muss. Die
Strenge der theoretischen Untersuchung lässt keinem Zweifel
Raum, dass das, was man gefunden, irgend etwas Anderes als
die Parallaxe sein könne. Betrachten wir diese wichtigen
Arbeiten etwas näher.
Bessel hatte mit dem grossen Königsberger Heliometer
den schon mehr erwähnten Stern 61 Oygni mit zwei sehr
schwachen benachbarten verglichen und in 402 Beobachtun
gen ihren Abstand und gegenseitigen Richtungswinkel be
stimmt. Das Resultat für die Parallaxe ergab sich aus allen
Vergleichungen im Mittel 0",3483, was auf einen Abstand von
592200 Erdweiten (ll 1 ^ Billionen Meilen) und eine Zeit
des Lichts (§. 223) von 9 Jahren 3 Monaten führt.
Ein halbes Jahr etwa kann als Unsicherheit dieses Resul
tats bezeichnet werden. Peters erhielt später am Pulkowaer
Verticalkreise ganz dasselbe Resultat. Eine spätere wiederholte
Berechnung der Bessel'sehen Beobachtungen ergab 0",360.*)
Struve prüfte mit dem Filarmikrometer des Dorpater Refrak
tors den Stern « Lyrae und verglich ihn, gleichfalls durch
Distanzen und Richtungswinkel, mit einem kleinen, ihm sehr
nahe stehenden Sterne, der, da er die Eigenbewegung
des grösseren Sterns nicht theilt, mit ihm nicht physisch
zu einem Binarsystem verbunden sein kann (in welchem
Falle natürlich beide die gleiche Parallaxe haben müssen
und kein Unterschied derselben gefunden werden kann).
Seine erste 1836 angestellte Beobachtungsreihe gab ihm
0 // ,125; die spätere Fortsetzung derselben, wenn Alles zu
*) Die Parallaxe ist nichts desto weniger nach der Bestimmung von
0. Struve am Pulkowaer Refractor und einer neuen Bestimmung von
Anwers am Königsberger Heliometer erheblich grösser und zwar 0,"51.
Siehe Anhang.