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Zwölfter Abschnitt.
die Entdeckung einer nickt geringen Zahl bis dahin noch
unbekannter Doppelsterne.
S- 257.
Aber das Höchste, was in diesem neuen und so uner
messlichen Felde bis jetzt geleistet worden, verdanken wir den
glänzenden Talenten und der staunenswürdigen Thätigkeit
eines Mannes, dem glücklicherweise auch äussere Mittel ge
boten waren, wie bisher keine Sternwarte sich deren rühmen
konnte. Struve in Dorpat verfolgte, sobald er 1813 als Astro
nom an der Sternwarte Dorpat angestellt war, seine schon
früh gefasste Idee, die Doppelsterne zu untersuchen. Ihm
standen damals nur ein 8 f. Meridiansinstrument und ein be
wegliches 5 f. Fernrohr zu Gebote. War auch die Auffin
dung dieser Sterne bei ihrer Culmination leicht genug, und
die optische Kraft des Meridianfernrohrs unerwartet gross, so
konnten doch in diesem nur Rectascensionsdifferenzen, und
in dem zweiten schwieriger anzuwendenden Instrumente (da
es nicht parallaktisch montirt war) nur Richtungswinkel er
halten werden. Erst seit 1821, wo das bewegliche Fernrohr
ein Fadenmikrometer erhielt, konnten vollständigere Bestim
mungen versucht werden; allein die Hauptarbeit begann als im
Jahre 1824 der grosse Frauenhof er’ sehe Refraktor nach Dor
pat kam. Jetzt ward nach einem umfassenden Plane gearbei
tet, den sich Struve folgendergestalt entworfen hatte:
1) Katalogisirung der Doppelsterne.
2) Ortsbestimmung derselben am Meridiankreise.
3) Mikrometermessungen zur Bestimmung der gegensei
tigen Entfernung und Richtung.
4) Beobachtungen über die Parallaxendifferenz der als
optisch erkannten Doppelsterne.
5) Beobachtungen über den Glanz und die Farben der
verschiedenen Sterne,
Das erste grössere Werk Struve's über diesen Gegen
stand ist sein Katalog von 1820. Er enthielt ausser den
HerscheV sehen, Lalande' sehen und andern bis dahin bekannten
Doppelsternen auch mehrere von Struve selbst entdeckte, über
haupt 795 (von denen jedoch nur etwa 500 innerhalb der
obigen Grenzen zusammenstehen), ihrem genäherten Orte nach.