Die Doppelsterne.
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Unter die wichtigsten und folgenreichsten Entdeckungen
in der Himmelskunde muss entschieden die gezählt werden, die
wir den letzten Lebensjahren Bessel’s verdanken. Seinem uner-
müdeten Fleisse, verbunden mit einem durchdringenden Scharf
sinn gelang es, in den Bewegungen einiger Fixsterne, und na
mentlich denen des Sirius und Procyon, Abweichungen zu ent
decken, die sich nur erklären Hessen durch die Annahme:
„dass diese Sterne Glieder von Partialsystemen seien, in
clenen sie eine Bahn um einen in ihrer Nähe befindlichen,
uns jedoch unsichtbaren Körper beschreiben: dass es folglich
nichtleuchtende (oder zu schwach leuchtende) Körper gebe,
um welche sich andre weit stärker leuchtende als ihre Satel
liten bewegen.“
Die aufgeführten Thatsachen waren noch unzureichend, um
die Bahnen der oben erwähnten Sterne zu bestimmen, wohl
aber waren sie hinreichend um solche Bahnen anzudeuten.
Doch trotz der gründlichen Darlegung, wie man sie von einem
Bessel stets erwarten konnte, ward das merkwürdige Ergebniss
fast allgemein mit Misstrauen und Zweifeln begrüsst. Sein bald
darauf erfolgter Tod schien die Sache in Vergessenheit bringen
zu wollen, um so mehr als Struve bald darauf zu zeigen ver
suchte, dass die von Bessel aufgestellten Anomalien der Eigen
bewegung in der Wirklichkeit nicht sicher begründet seien,
vielmehr wahrscheinlich Beobachtungs- und Beduktionsfehlern
zugeschrieben werden müssten.
Bei meinen Berechnungen der Doppels^ernbalmen und
Bewegungen, welche in den „Untersuchungen über die Fix
sternsysteme“ Th. I. und auszugsweise auch hier im Vor
stehendem mitgetheilt sind, traf ich auf einige Sterne, bei
denen die Beobachtungen sich durch Annahme einer einfachen
Bahn in einem Binärsystem nicht gut darstellen Hessen. Am
bestimmtesten war dies der Fall bei einem schönen Doppelstern
in den Zwillingen (Struve’s Catalog 1037). Ich machte den
Versuch ein dreifaches System anzunehmen, in welchem eine
der wirksamen Massen uns unsichtbar ist, und gelangte,, wie
a. a. O. näher auseinandergesetzt ist, zu befriedigenden Besul-
taten. Der Fall war denen, welche Bessel zur Sprache gebracht
hatte, sehr ähnlich: bei ihm wurden zwei Sterne erfordert,
wo nur ein sichtbarer stand; in meinem Beispiele dagegen
drei, wo sich nur zwei wahrnehmen Hessen.
Dennoch glaubte Airy, indem er die Priorität der Wahr
nehmung veränderlicher , Eigenbewegungen für seinen V or-
gänger Pont in Anspruch nahm, sich ausdrücklich gegen eine