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Vierzehnter Abschnitt.
die Länge des synodischen Mondumlaufes, nicht alt-egyptische,
sondern alt-babylonische Beobachtungen benutzt. Waren jene
ihm unzugänglich? Schwerlich, die Herrscher aus dem Hause
der Ptolemäer hätten, auch bei der grössten Geheimthuerei der
Priester, gewiss Mittel besessen, sie ihm zugänglich zu machen.
Wir schliessen im Gegentheil daraus, dass jene alten Beobach
tungen den hohen Werth nicht besassen,. den man ihnen lange
Zeit zuschrieb.
Für die Jahreslänge fand er (tropisch) 365 T. 5 St. 55' 12";
er benutzte dazu ausser seinen eigenen Beobachtungen nur noch
eine des Aristarch. Den synodischen Mondsumlauf nahm er zu
29 T. 12 St. 44 Min, 3 x / 3 Sekunden an; fast vollkommen richtig.
Die Entfernung des Mondes fand er 62—• T2 1 / 2 Erdhalbmesser,
was etwa um 1 j 9 zu viel ist.
Man sagt nicht zu viel, wenn man Hipparch als den Astro
nomen bezeichnet, der die Himmelsforschung eigentlich erst zur
Wissenschaft gemacht hat. Leider ist uns von seinen Lebens
umständen fast nichts, wenigstens nichts Sicheres, bekannt.
In der nächsten Zeit finden wir keinen Hamen, den wir
diesem grossen Manne zur Seite setzen könnten. Geminus,
Theodosius, Alexander von Ephesus haben nichts Bedeutendes ge
leistet; Conon hat sich das mühelose Verdienst erworben, ein
neues Sternbild (das Haar der Berenice) einzuführen; Sosigenes
hat, wie wir oben schon erwähnt, die Kalenderverbesserung
vorgeschlagen, welche Julius Caesar einführte. Dagegen müssen
wir der Entdeckung und Erklärung der Befraction gedenken.
Schon Posidonius hatte vermuthet, dass durch die Dünste des
Horizonts die Lichtstrahlen von der geraden Linie abgelenkt
würden, aber er wandte diese an sich richtige Bemerkung sehr
fehlerhaft an. Er glaubte nämlich darin die Ursache zu finden,
weshalb Sonne und Mond am Horizonte grösser erschienen
als höher hinauf. Dies ist nun ganz und gar nicht der Fall;
eine wirkliche, wenn auch nur rohe Messung würde ihm gezeigt
haben, dass der Mond am Horizont sogar etwas kleiner er
scheine, und dass auch bei der Sonnenscheibe der verticale
Durchmesser hoch am Himmel gefunden wird. Cleomedes war
glücklicher. Man hatte zu seiner Zeit den total verfinsterten
Mond zu einer Zeit erblickt, wo die Sonne noch nicht ganz
untergegangen war. Dies schien ihm unmöglich; da aber so
viele glaubwürdige Zeugnisse Vorlagen , so forschte er nach
der Ursache und fand sie darin, dass der Lichtstrahl von seinem
geraden Wege abgelenkt werde und eine gegen die Erde concave
Curve beschreibe. Späteren Forschern blieb es Vorbehalten,
die genaueren Gesetze der Befraction zu ermitteln. — Cleomedes
wie Posidonius lebten in Born, *wo damals die Wissenschaften