Geschichtlicher Ueberbliok. ß71
ein Mittel angeben würde, wodurch man der Länge zur See
bis auf 1 / 4 Grad versichert sei.
Bis zum 80. Jahre hatte er einer nur wenig gestörten
Gesundheit genossen; nun jedoch stellte sich eine schmerzhafte
Steinkrankheit ein, die die Kunst der Aerzte zwar zu mildern
und hinzuhalten, doch nicht zu heben vermochte. Am 22. März
1727 schied dieser grosse Geist von der Erde.
Auf Befehl Georgs I. wurde er mit königlichen Ehren be
stattet und in der Gruft zu Westminster, wo Englands Beherr
scher ruhen, ruht auch Newton. Eine Regierung, wenn sie
die Wissenschaft ehrt, ehrt sich selber; Newton aber war im
Bereiche der Wissenschaften ein König, oder richtiger, er
war der König. Newton war ein aufrichtig frommer Mann.
Bei jeder Nennung des Namens Gottes entblösste er das Haupt,
und seine Forschungen im Grundtexte der Bibel waren sehr
gründlich, wenngleich seine biblische Chronologie als eine ver
fehlte bezeichnet werden muss, so wie seine Erklärung der
Apokalypse, von der Kellgrcn mit Recht bemerkt, Newton’s
Fehler bestehe nicht darin, dass er dies Buch falsch er
klärte, sondern darin, dass er es erklärte.
Am längsten dauerte der Widerstand der französischen
Gelehrten, denen es schwer wurde, sich von den Wirbeln ihres
Descartes loszusagen; ja Fontenelle, der 1755 im lOOsten Lebens
jahre starb, hat bis an sein Lebensende daran festgehalten.
Erst um 1740 verstummte auch diese Controverse.
Uebrigens ward Newton anfangs nur von sehr Wenigen
verstanden; wir finden Bewunderer, Uebersetzer, allenfalls
Commentatoren, aber keine Nacheiferer, Erst nach der Mitte
des Jahrhunderts, wie wir weiterhin sehen werden, gewannen
die Dinge eine andere Gestalt.
Die Frage über die Erdgestalt ist nicht nur an sich, son
dern für die gesammte Theorie der Himmelskunde eine so
wichtige, dass sie nicht unerörtert bleiben konnte in einer Zeit,
wo ein Newton lebte. Vor der Gradmessung des neuern Europa
konnte man über die Vorstellung einer Kugelgestalt nicht hin
auskommen, und selbst diese wurde nicht selten von denen
bestritten, welche in Fragen über Naturgegenstände nicht in der
Natur, sondern in alten Schriften die Antwort zu suchen ge
wöhnt sind. Cassini’s grosse Messung durch ganz Frankreich
von N. nach S. schien anzudeuten, die Erde sei ein E11 i p s o i d,
also von den Polen verlängert, während Newton, ohne eine
Messung gemacht zu haben, einfach aus seiner Theorie schloss,
die Erde müsse ein Sphäroid, also an den Polen abgeplattet
sein. Man sieht, wie sich Alles vereinigte, um den Franzosen
die Anerkennung Newton’s zu erschweren, Newton, dem lluyg-